Das mit den Friedensprojekten ist ja immer so eine Sache. Aus sicherer Distanz ein Ensemble beider Seiten zusammenzustoppeln ist schön, aber es zeigt halt nicht jene Realität, die uns Erich Oskar Hütter so eindringlich zu vermitteln vermag. „Ich bin seit mittlerweile 25 Jahren in der Region tätig, ich habe mehr Erfahrung gesammelt, als viele Diplomaten dort unten“, bekräftigt der Herr mit dem charmanten Lächeln unseren seit Langem genährten Verdacht, dass er sich nach so vielen Jahren als musikalischer Botschafter längst auch als profunder Korrespondent aus Israel eignen würde. Was ihn vor immerhin auch schon wieder 19 Jahren dazu ermutigte, seine Mission eines Sounding Jerusalem zu starten, ein Festival der Begegnung zu etablieren, das dort längst wie ein „Juwel in der Altstadt“ glänzt.

„Man kann viele Friedensprojekte nach außen als Friedensprojekte verkaufen, die eigentlich gar keine solchen sind. Das sind Israeli Arabs, die in Israel leben und gut in der Gesellschaft verankert sind. Ein wirklicher palästinensischer Musiker, der mit Israeli spielen würde, der ist am nächsten Tag aus dem Business draußen, wenn nicht gar sein Leben gefährdet wäre“, rückt Hütter das trügerische Bild vermeintlich grenzüberschreitender Ensembles zurecht. Dass die Realität anders aussieht, schildert der Cellist und Festivalleiter dabei nur allzu plastisch. Und auch nicht ohne ein Augenzwinkern: „Wenn wir in Ostjerusalem etwas machen, müssen wir alle Seiten respektieren. Und manchmal muss man der anderen Seite halt ein bissl den Roten Teppich auslegen, weil sie sonst einfach nicht dabei ist“. Dieser Boykott erkläre sich von palästinensischer Seite auch immer ganz simpel, „so lange wir nicht dieselben Rechte haben und Apartheid herrscht, können wir nicht etwas auf einer Ebene gemeinsam machen“, zitiert unser Korrespondent, der von unzähligen Begegnungen mit beiden Seiten weiß. „Und das ist zu respektieren“.

Der Cellist und Festivalleiter Erich Oskar Hütter
Der Cellist und Festivalleiter Erich Oskar Hütter © Nicolas Galani

In diesem Jahr der Kriegswirren war aber an ein Juwel in der Altstadt nicht mehr zu denken. Und so holten Hütter und die Seinen das Festival einfach kurzerhand nach Graz, wo sie für Sounding Jerusalem mit der Schutzengelkirche einen vortrefflichen „echten Ort der Begegnung“ gefunden hätten, einen, den ihnen etwa die Grazer Synagoge so nicht geboten hätte, „weil der Spirit der Begegnung dort nicht geübt wird“. Immerhin mache er dieses „sehr spezielle Festival ja als Begegnungsplattform“, beteuert der besessene, aber auch gebrandmarkte Musiker: „Im Juni habe ich im Norden von Israel Konzerte für Binnenflüchtlinge gespielt und bin dort in einen Hisbollah-Raketenangriff geraten. Dabei habe ich einen ganz starken Bezug zur israelischen Community gespürt, die am 7. Oktober niedergemetzelt wurde“, steigert sich Hütter in den Wahnsinn hinein. „Ich bin dabei regelrecht aufgeladen worden“. Und dafür habe ich auch meine jüdisch-israelischen Programme gemacht.

Das langjährige Ensemble Mélange Oriental sei jedenfalls „eine Version unserer Reaktion“. Mit dabei diesmal der prominente libanesische Oud-Virtuose Marwan Abado und sein Schüler, der syrische Sänger Sio. „Auf den Punkt gebracht“ wird das multikulturelle Ensemble neben Stefan Heckel (Akkordeon) und Hütter selbst noch mit keinem Geringeren als Chen Zimbalista (percussion) aus Israel. „Musikalischer Frieden live on stage“. Immerhin.