Verirrt? Eine junge Frau hört auf ihrem Handy einen Rammstein-Song, während sie wartet, bis Andreas Gabalier auf die Bühne kommt. Obwohl, Gemeinsamkeiten gibt es durchaus. Ob Rammstein oder Gabalier: Man mag sie/ihn - oder nicht. Ein Dazwischen gibt es nicht. Aber jetzt zum „Volks-Rock ‚n‘ Roller“ laut Eigendefinition, der Samstagabend in der vollen Messehalle seine Half-Time-Show feierte. Am 21. November wird Gabalier 40 Jahre alt, das empfindet er offenbar als „Halbzeit“; Zeit also, Bilanz zu ziehen. Und das hat, um es vorwegzunehmen, lange gedauert. Mehr als dreieinhalb Stunden stand er auf der Bühne, danach ging die Party in der Messehalle bis zwei Uhr früh weiter. Ein Schwerarbeiter ist Gabalier noch immer, den Schweiß wischt er sich nach wie vor mit dem karierten Taschentuch vom Gesicht; und die Show, die er bietet, hat technisch gesehen internationales Format: gute Musiker, große Videowall, viel Feuer und Rauch, viel Bling-Bling und eine geografische Mischung aus Alpen, Nashville und Las Vegas.
Und dennoch ist diese große Half-Time-Show nur halb gelungen, das dürften auch etliche der rund 10.000 Besucherinnen und Besucher so empfunden haben, denn viele sind vor Konzertende gegangen. Was genau war das jetzt eigentlich? Eine Retro-Party? Eine Geburtstagsfeier? Eine Nostalgie-Show? Begonnen hat Gabalier den Abend traditionell mit dem „Obersteirer“, wo seine Themenwelt gut gebündelt ist: die Heimat, die Freundschaft, der Handschlag, die feschen Madln, die kernigen Buam. Textsichere Mitsingchöre, tanzende Paare, rot-weiß-roter Konfettiregen, Feuerfontänen, ausgelassene Stimmung, alles gut.
Die Musik ist die gewohnte Mixtur aus Volkstümlichem, Pop, ein wenig Schlager, und all das angereichert mit Gabaliers untrüglichem Gespür für die Befindlichkeiten seiner Fan-Community. Doch sein Höhenflug, den er sich redlich erarbeitet hat, war von Beginn an mit Häme, kultureller Hochnäsigkeit und Social-Media-Aggression verbunden. Die Toleranz seiner Gegner geht meist nicht so weit, diese Musik als das zu akzeptieren, was sie ist: Unterhaltung und wohl auch Eskapismus für ein gewisses – ziemlich großes - Klientel. Daran ist nichts Verwerfliches. Das kann man mögen, muss man aber nicht.
Das Problem bei dieser Half-Time-Show war, dass die Setlist zu gut zwei Drittel aus Coversongs bestand. Das war natürlich Absicht, Gabalier wollte in der Lebensmitte wohl den Soundtrack seines Lebens präsentieren. Und die Erzählungen darüber, dass er als Kind die Schallplatten des Vaters nur mit weißen Handschuhen angreifen durfte, waren durchaus rührend. Die Abmischung des Programms war allerdings abenteuerlich: „Simply The Best“, „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, „Ein Prosit der Gemütlichkeit“, auch Udo Jürgens wurde ein Lied „nach oben“ geschickt - „Griechischer Wein“.
Zwischendurch holte Gabalier Gäste auf die Bühne, wirkliche Prominenz war nicht darunter. Happig und anmaßend wurde es dann, als er gemeinsam mit „De Zwa“ die Steinbäcker-Edelsteine „Steiermark“ und „Großvater“ sang. Es folgten weitere Covers: „Father And Son“ von Cat Stevens, „Me And Bobby McGee“ von Kris Kristofferson, „Stand By Me“ von Ben E. King. Andreas Gabalier hat sich also an nationale und internationale sakrosankte Ewigkeitshymnen herangewagt - und ist teilweise grandios daran gescheitert. Das hätte nicht sein müssen, das hat er auch nicht notwendig. Denn: Die Menschen wollen Gabalier-Songs hören, wenn sie auf ein Gabalier-Konzert gehen, das hat der Applauspegel im Publikum deutlich gezeigt. Bei „I sing a Liad für di“ brodelte es mächtig in der Halle, die „Bergbauernbuam“, „stork wie Stier“, sind beliebt wie eh und je, und beim Spaßkracher „Hulapalu“ erreichte die Party ihren Siedepunkt. Fazit: Wo Gabalier draufsteht, muss Gabalier drinnen sein, dann funktioniert das Werkl wunderbar. Wenn er sich an ikonischem Fremdmaterial vergreift, stottert es.