Farbenfroh und inhaltsschwer stehen sie im Regal, die ikonischen Taschenbücher von Suhrkamp. Hermann Hesse und Max Frisch neben Peter Handke und Thomas Bernhard; Martin Walser neben Ödön von Horváth, Natalia Ginzburg neben James Joyce. Später dann, als es finanziell bergauf ging, kamen die gebundenen Bücher dazu; emotional verbunden blieb man aber den bunten Taschenbüchern.
Nicht bergauf, sondern finanziell bergab ging es bereits seit längerer Zeit mit dem ikonischen Verlag, der jahrzehntelang das gesellschaftliche Klima in Deutschland mitgeprägt hat. Große Autoren und Autorinnen und Geistesgrößen wie Hermann Hesse, Bertolt Brecht, Ingeborg Bachmann, Peter Sloterdijk, Jürgen Habermas fanden bei Suhrkamp ihre Heimat. Doch zuletzt blieben die großen verlegerischen Erfolge aus, Blockbuster-Autoren wie Daniel Kehlmann ließ man ziehen - in seinem Fall zu Rowohlt.
Gegründet wurde der Suhrkamp-Verlag 1950 von Peter Suhrkamp; von 1959 bis zu seinem Tod 2002 war Siegfried Unseld – der den Verlag zu einem kulturgeschichtlichen Monument gemacht hat – alleiniger Verleger. „Der Suhrkamp-Verlag verlegt keine Bücher, sondern Autoren“, ist einer der markanten Grundsätze, die auf Unseld zurückgehen. Diese besondere Nähe und Treue des Verlegers zu seinen Autorinnen und Autoren zählte auch zu den Erfolgsgeheimnissen von Suhrkamp. Doch die Unseld-Ära – und damit wohl auch der Suhrkamp-Mythos – ist jetzt endgültig Geschichte. Auch Unselds Witwe Ulla Berkéwicz zog sich vollständig zurück. Als Unseld 2002 starb, wurde sie Kopf des Hauses. Wenig später kam es zu einem jahrelangen Rechtsstreit gegen den Hamburger Medienunternehmer Hans Barlach, der gegen den Willen von Berkéwicz Anteile am Verlag erworben hatte.
Mit November übernimmt der 61 Jahre alte Immobilienunternehmer Dirk Möhrle sämtliche Verlagsanteile und wird damit alleiniger Inhaber. In der Medienmitteilung des Verlags wird Möhrle mit dieser Aussage zitiert: „In den vergangenen zehn Jahren meines Engagements für den Suhrkamp-Verlag habe ich entdecken dürfen, welche Bedeutung diesem Verlag und seinen Autoren zu eigen ist.“ Verlegerisch tätig war die Möhrle Group bislang nicht, gemäß ihrer Webseite ist sie „in den Branchen Immobilien, Luftfahrt, Medien und Unternehmensbeteiligung aktiv.“ Doch Verlagsleiter Jonathan Landgrebe ist zuversichtlich. Durch den Eigentümerwechsel entstünden Suhrkamp neue Spielräume, und die vereinfachten Strukturen erleichterten die Arbeit.“
Es war einmal – und es war legendär. Fast täglich rief Marcel Reich-Ranicki die Lektoren seines Vertrauens an, um von ihnen den neuesten Klatsch und Tratsch zu erfahren. „Was gibt es Neues in der Lindenstraßen?“, wollte er wissen. Die Lindenstraße 29-35 war die Adresse von Suhrkamp in Frankfurt am Main, bevor der Verlag 2010 nach Berlin umzog.
Auch die Grazer Schriftstellerin Valerie Fritsch ist Suhrkamp-Autorin, ihr drei bisherigen Romane sind dort erschienen. „Auf der Zukunftsliste, die ich im Alter von 15 Jahren in der Schule erstellt habe, stand im 10-Jahres-Wunschplan, bei Suhrkamp zu schreiben. Diesen Punkt mit Mitte 20 tatsächlich abzuhaken, war schon ziemlich großartig.“ Den Kontakt zum Verlag hergestellt hat dann der Schriftsteller Clemens Setz, ebenfalls bei Suhrkamp beheimatet. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag bezeichnet Fritsch als „familiär und professionell“. Und als Jugendliche hat sie natürlich die farbenfrohen Taschenbuch-Ausgaben von Suhrkamp verschlungen. Derzeit recherchiert Valerie Fritsch bereits an ihrem vierten Roman. „Es geht um Neo-Spiritualität, um die moderne Form von Glauben und Zweifel.“
Dirk Möhrle, der neue Eigentümer, ist guter Dinge. Suhrkamp sei ein Kulturgut, das er „schützen und bewahren“ wolle. Suhrkamp habe eine große Vergangenheit. Aber jetzt gehe es darum, den Traditionsverlag in die Zukunft zu führen.“ Auch das wohl eine Sache von Glauben und Zweifel.