Zucchero
Die Geschichte des Erfolgs beginnt auch bei Zucchero dort, wo sie immer beginnt: in der Kindheit. Die Musik des italienischen Säulenheiligen des Blues wächst auf den Reisfeldern der Emilia Romagna. „In seiner Heimat war das Leben hart, das hört man seiner Stimme an“, erzählt einer seiner Weggefährten, Francesco de Gregori.
Valentina Zanella und Giangiacomo de Stefano errichten Zucchero in der Dokumentation ein Denkmal. Sein Künstlername geht übrigens auf einen Kosenamen zurück, mit dem ihn eine Lehrerin bedachte, weil er so einfühlsam und zart war. Die klassisch aufbereitete Dokumentation (viele Interviews, Live-Mitschnitte) ist im ersten Drittel gut und solide und wird mit dem Moment intensiv, wo Zucchero über seine langen Jahre der Depression spricht. Sehr intim und ehrlich erzählt der Maestro von seinen Anfängen in Sanremo, den Selbstzweifeln und wie sehr ihn seine Familie und Herkunft prägten. Man beginnt nachzuvollziehen, warum Musiker wie Sting, Eric Clapton, Brian May und Bono von U2 mit ihm auf der Bühne stehen wollten und mit ihm Songs veröffentlichten. Schicht um Schicht wird ein Stück Zucchero freigeschaufelt, sodass man am Ende versteht, warum Brian May von Queen sagt: „Er ist einer der größten Sänger der Welt.“ Selbst Sting spart nicht mit Lorbeeren: „Ein Geschenk Gottes“. (ak) ●●●●○
In Liebe, Eure Hilde
Als fesselnde Liebesgeschichte inszeniert der deutsche Filmemacher Andreas Dresen (“Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“) die wahre Story der NS-Widerstandskämpfer Hans und Hilde Coppi (Johannes Hegemann, Liv Lisa Fries). Sie zählten zur Gruppe, die die Gestapo „Rote Kapelle“ nannte. Eindringlich in Rückblicken erzählt. (js) ●●●○○
The Trail
Ambitioniertes Sci-Fi-Projekt aus Österreich: Anna (Sophie Grabner) steigt in ihre Wanderstiefel und flieht, traumatisiert und sprachlos, in die Berge. Eingebettet in epische Berg- und Almpanoramen vom Loser bis zum steirischen Vulkanland und soghaften Sound versucht die junge Frau, ihre vielen bewussten und unterbewussten Ängste, die ihr im Weg stehen, zu überwinden. Der steirische Indie-Produzent Oliver Haas und der Regisseur Stefan Müller, die schon mit „Marlene“ und „Das Neue Normal“ aufzeigten, kombinieren Arthouse-Erzählung mit Genre-Elementen. Als Anna auf ein mächtiges UFO-Wrack stößt, geraten Dinge innerlich und äußerlich in Bewegung. Wortkargheit trifft hier auf cineastische Experimentierfreude. (js) ●●●○○
Zum Film der Woche
Woodwalkers
In Hollywood mögen sie ihren Zenit überschritten haben, im deutschsprachigen Raum versucht man dagegen gerade das nächste Franchise zu starten: Young-Adult-Roman-Adaptionen. „Woodwalkers“ – die Buchreihe von Katja Brandis. Ihre Hauptfigur ist der Gestaltenwandler Carag (Emile Chérif), der als Mensch und Puma leben kann. Bei seiner Pflegefamilie ist er immer etwas fehl am Platz, an der Clearwater Highschool findet er ein Zuhause. Hier sind alle Wesen Gestaltenwandler. Doch der Konflikt zwischen Tierwelt und Menschenwelt schwillt weiter an, und Carag muss sich entscheiden, wo er steht. Angesiedelt in Wyoming, aber gedreht in den Tiroler und Südtiroler Alpen, geizt der Film nicht mit fantastischen Bildern. Regisseur Damian John Harper versteht es, die allzu kitschigen Elemente der Handlung fast auszubügeln, sodass ein passables Jugendabenteuer entsteht. (sg) ●●●○○
Sechs Richtige – Glück ist nichts für Anfänger
Was macht Geld mit einem Menschen? Nichts Gutes, möchte man meinen. Genau das versuchen die Regisseure Romain Choay und Maxime Govare auch in ihrer Satire über Lottogewinner einzufangen. Familienvater Paul (Fabrice Eboué) etwa erfährt, dass er fünf Millionen Euro gewonnen hat. Um die fast verstrichene Abholfrist einzuhalten, ist er zu allen Mitteln bereit. Julie (Pauline Clément) hingegen ist sich nicht sicher, ob sie gerade zufällig dem Traummann begegnet ist oder dieser von ihrem 10-Millionen-Euro-Jackpot weiß. Ahmed (Sami Outalbali) befindet sich in einer eher ungünstigen Situation und eine Gruppe Pfleger reißt sich gierig den 60-Millionen-Euro-Gewinn ihres Patienten unter den Nagel. Unterhaltsam an der Erzählweise ist, dass jede Episode mit dem idealistischen Charme einer französischen Komödie beginnt und dann in bitterböses Chaos umschwenkt. (sg) ●●●○○
Venom – The Last Dance
Nach einem Zwischenstopp in Disneys Marvel-Kosmos geht es für Eddie Brock (Tom Hardy) und dessen pechschwarzen Alienparasiten Venom zurück ins eigene Universum. Zu Hause ist es doch am schönsten, sind sich der frühere Reporter und sein außerirdischer Kumpel einig. Doch das nächste Abenteuer lässt nicht auf sich warten: Eine Wissenschaftlerin (Juno Temple), die Symbionten von Venoms Heimatplaneten hortet, versucht die Kontaktaufnahme. Übles bahnt sich an. Im dritten Teil des „Spider-Man“-Ablegers wird zum finalen intergalaktischen Tanz ausgeholt. Die platonische Liebe der symbiotisch verwachsenen Titelhelden sorgt immer noch für herzhafte Lacher, der Plot verliert sich jedoch in platten Comic-Referenzen und einem langwierigen Effektshowdown. Halblustige, aber hanebüchene Marvel-Materialschlacht. (pog) ●●○○○
In a Violent Nature
Die Ausgangslage ist dieselbe wie in jedem x-beliebigen Teil der Horrorreihe „Freitag der 13.“: eine Gruppe von Jugendlichen campt nahe eines abgelegenen Sees, ein kaltblütiger, unkillbarer Serienmörder nistet sich ein und richtet, peu à peu, ein Blutbad an. In seinem Langfilmdebüt geht der Amerikaner Chris Nash jedoch nicht den handelsüblichen Weg des Slashers. Denn: „In A Violent Nature“ nimmt die blutlüstern voyeuristische Perspektive des Killers ein, nicht die der halbstarken Opfer. Mit starrer, regloser Miene stapft der von den Toten erwachte Schlächter durch die Wälder. In der einen Hand eine Axt, in der anderen einen Haken. Schleichende Kamerafahrten und das Fehlen non-diegetischer Musik verleihen dem Teenie-Gemetzel einen dreckigen, ungemütlichen Realismus, der dem Genre jüngst abhanden gekommen ist. Ein innovatives, ultrabrutales Stilexperiment. (pog) ●●●●○