Die ersten Minuten gehörten einem Abwesenden. Im Frühjahr hat eine Jury dem Dichter und Hirten Bodo Hell den Literaturpreis des Landes Steiermark zuerkannt. Seit 11. August ist er auf dem Dachstein verschollen. Schon seit den 1970er-Jahren hat Hell dort auf der Grafenbergalm jeden Sommer eine Ziegenherde gehütet. Am Samstag, zum Auftakt der Verleihung der Kunst- und Kulturpreise des Landes, wurde des Autors mit einer Lesung aus seinem „Almtagebuch“ gedacht. In den knappen Berichten von verschollenen Kälbern, von „anthropologischen Salzgurkerln“ und Aufstiegen im „wirren Gelände“ zwischen Wurzkar, Storneralm, Hüttfeld zeigte sich Hells Literatur als höchst vital: Miniaturen, in denen sich feine Beobachtung, lakonischer Humor, innovative Sprache glückhaft verbinden. Die „Kultur als lebendige Praxis“ zu feiern war dann auch das Motto, das Zeremonienmeister Georg Schütky für den Festakt ausgab.
Insgesamt achtmal wurde die nach Autorin und Künstlerin Mela Hartwig benannte Preistrophäe „Mela“ im großen Saal des Kunsthaus Muerz vergeben. Zum ersten Mal fand die Veranstaltung jenseits von Graz statt – schließlich sei das Bekenntnis zu mehr Regionalität ein wichtiger Teil der Kulturstrategie 2030, die jüngst gemeinsam mit den Kulturinitiativen des Landes erarbeitet worden ist, wie Landeshauptmann und Kulturreferent Christopher Drexler (ÖVP) in seiner Festrede feststellte: „Der Prozess hat gezeigt, welche Kraft und Vitalität in der Kultur der Steiermark liegt, und ich möchte diese Kulturstrategie mit Ihnen gemeinsam in den nächsten fünf Jahren Punkt für Punkt abarbeiten.“ Ein Schlenkerer in Sachen Wahlkampf, ansonsten aber stand die Matinee ganz im Zeichen der Preisträgerinnen und Preisträger.
Den lautesten Applaus holte sich der frisch gebackene Andrzej-Dobrowolski-Kompositionspreisträger Dieter Glawischnig. Im „imponierenden Oeuvre“ der Jazz-Ikone, so die Jury, „nimmt der avantgardistische Geist der Nachkriegsmoderne auf einmalige Weise Gestalt an“. Auch der Volkskulturpreis ging an eine Formation, die oft in den Gefilden des Jazz agiert. Mit dem Projekt „Platzkonzert“ aber habe das „Studio Percussion“ um Günter und Raphael Meinhart, Christian Tschuggnall, Tscho Theissing und Stefan Schmid „die Blasmusik als Klangkörper mit unendlicher Tradition zu neuem Leben erweckt“, befand ihre Jury. Schlagwerkerin Ulrike Stadler, „eine herausragende Interpretin der Musik vieler Epochen“, wurde mit dem Großen Interpretationspreis des Landes gewürdigt, der Peter-Rosegger-Literaturpreis für das beste Debüt ging an den „souveränen Erzähler“ Florian Dietmaier und seinen Romanerstling „Die Kompromisse“. Den Würdigungspreis für bildende Kunst erhielt die Künstlerin und Kuratorin Eva Ursprung für ihren „entscheidenden Beitrag zur Diversifizierung der kulturellen Landschaft der Steiermark.“
Zwei besondere Preise vergibt das Land gemeinsam mit der Kleinen Zeitung: Den Morgenstern-Preis für junge Künstlerinnen und Künstler holte sich dieses Jahr die Pop-Solistin Astrid Hierzberger, die als „Fraeulein Astrid“ das „Songwriter-Genre zwischen Elektronik und Neofolk mit Geist erfüllt“, wie die begeisterte Jury feststellte. Das Preisgeld von 10.000 Euro wird die Künstlerin in die Produktion eines Albums investieren, wie sie in Mürzzuschlag verriet. Als finanziellen „Polster“ für künftige Produktionen will auch die Theaterfabrik Weiz ihr Preisgeld nutzen: Das zehnköpfige Künstlerinnenkollektiv, ausgezeichnet mit dem „Glanzstück“-Preis für regionale Kulturarbeit, setzt Theater für junge Menschen von jungen Menschen in „konsequenter Zeitgenossenschaft“ um. Gemeinsam mit aktuell rund 70 Kindern und Jugendlichen arbeitet die Initiative derzeit an mehreren Stücken, die ab März zu sehen sein werden. Vorfreude ist da ganz klar angebracht.