Das Bild als Botschaft drängt sich geradezu auf: Der Himmel über Frankfurt ist fast strahlend blau; doch über der Buchmesse, die hier noch bis Sonntag stattfindet, ballen sich immer mehr dunkle Gewitterwolken zusammen. Wohin man auch hört, wird dieses Klagelied angestimmt: Der Branche geht es nicht gut, die Branche steht vor dem Kollaps. Das ist auch der Grundtenor der Eröffnungsreden beim Österreich-Stand, dem Treffpunkt für Verlage, Autorinnen und Autoren, Medien. Initiiert von Landeshauptmann Christopher Drexler, hat sich auch heuer wieder eine steirische Delegation – u. a. mit den Autorinnen Cordula Simon, Gertrude Grossegger, Silvana Cimenti und Helwig Brunner – in Frankfurt eingefunden, um den Gewitterwolken zu trotzen und auf die Schlag- und Wirkkraft der heimischen Literatur hinzuweisen. Als einzigen Lichtblick verwies der Branchenvertreter auf den neuen Schulbuchvertrag, der bis 2031 mit der Republik Österreich abgeschlossen werden konnte. Ansonsten: „Schwierige Zeiten“! Eine Existenzfrage sei auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Bücher, in Österreich mit zehn Prozent im EU-Vergleich enorm hoch. Vier Prozent werden gefordert.
40 österreichische Verlage sind mit einem eigenen Stand in Frankfurt vertreten, zusätzlich stellen 18 Verlage am Österreich-Stand aus. Auch Matthias Opis, Geschäftsführer der Styria-Verlage, kann seinen (Zweck-)Optimismus nicht länger aufrechterhalten. „Der Befund ist klar, die Buchbranche hat den Patientenstatus erreicht.“ Als Hauptgrund führt Opis die Kostenexplosion in vielen Teilbereichen an. „Vor allem die kleinen und mittleren Verlage sind zwischen schwacher Marktlage und hohen Kosten eingeklemmt.“ Annette Knoch vom Grazer Literaturverlag Droschl kann sich diesem tristen Befund nicht anschließen, bleibt aber die Ausnahme. „Wir haben ein gutes Jahr hinter uns. Wie erfolgreich ein Buch ist, liegt immer an Zufällen - und die können glücklich oder weniger glücklich sein.“ Und heuer sei der Glücksfall eingetreten, dass man mit guten Büchern ein gutes Echo erreicht habe. Einige Schritte weiter preist Erika Hornbogner, seit dem Frühjahr Chefin der Kärntner Verlage Wieser und Drava, voll gestenreicher Leidenschaft ihre Bücher an. Hornbogner weiß natürlich auch um die Probleme, aber viel lieber spricht sie über das neue Buch des kanadischen Inuit-Autors Michel Jean. Ein Weg aus der Misere? Hornbogner: „Da gibt es keine Patentlösung. Wir müssen das Buch den Leserinnen und Lesern noch näher bringen, eine Beziehung herstellen.“
In den Hallen und zwischen den Gängen summt und brummt es, es ist ein riesiger Jahrmarkt, der weltgrößte Bücher-Kirtag, oberflächlich deutet nichts auf die Katerstimmung hin. Unser „Arnie“ läuft auf einem riesigen Plakat Ski, daneben ebenso großflächig eine Helmut-Newton-Nackerte. Auf den neuen Roman der Literaturnobelpreisträgerin Han Kang wird hingewiesen – und auf die Signierstunde mit Désirée Nick. Ihr Buch heißt „Bockwurst und Champagner“. Alles eine Geschmacksfrage. Es gibt nichts, das auf der Buchmesse nicht serviert wird.
Ausgerechnet die Jungen, denen man von Analphabetismus bis Social-Media-Verblödung alles Schlechte anhängt, sollten das alte Kulturgut Buch retten. Das Marketing-Zauberwort lautet „New Adult“, dem gehypten Erfolgsgenre wurde in Frankfurt eine Präsentationsfläche von 8000 Quadratmetern eingeräumt. Was steckt dahinter? Bunte Bücher, plüschig, einige mit Duftnote, inhaltlich picksüße Rom-Coms mit einem gehörigen Schuss Erotik. Mädchenbücher hat man früher dazu gesagt. Was den Feminismus und die Selbstermächtigung der Frauen anbelangt, sind diese Werke ein gewaltiger Rückschritt, aber kommerziell ein Riesenschritt Richtung klingende Kassen. Die erfolgreichste „New Adult“-Autorin heißt Mona Kasten, ihre Romane dienten als Vorlage für die Amazon-Serie „Maxton Hall“. Wobei hier ganz klar die Mechanismen der Popkultur greifen: Es geht um Fantum, Starkult, Community.
Gastland bei der diesjährigen Buchmesse ist Italien. Bei der Gestaltung des Pavillons ließ man sich von den klassischen Merkmalen einer historischen Piazza mit Bogengängen und Säulen inspirieren. Das Motto lautet „Verwurzelt in der Zukunft“ und ist eine schöne Anspielung darauf, dass die Verantwortlichen mit einem Blick ins Gestern aufs Morgen blicken. In Schaukästen und Galerien wird die glorreiche Vergangenheit und spannende Gegenwart der italienischen Literatur aufgearbeitet. Und mitten auf der Piazza sitzt jetzt Cantautore Agostino Penna am Klavier und stimmt den Italo-Klassiker „Volare“ an. Darin geht es ums Fliegen. Womit wir wieder am Anfang wären. Beim blauen Himmel und den Gewitterwolken.
Frankfurter Buchmesse 2025