Ihr Citroën Visa ist eine Schrottkiste: „Eine Hässlichkeit, an die man sich gewöhnt.“ Aber für die Cousins Nicolas und Guy verwandelt sich das Auto in eine theatralische Kulisse ihrer epischen Reise. Man schreibt das Jahr 1986, kurz nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, und die beiden jungen Männer beschließen, von Frankreich durch den damaligen Ostblock bis in die Türkei zu fahren – es sollte eine Neuauflage der „Gelben Expedition“ werden, eine berühmte Autoreise der 1930er Jahre in den Osten.

In einem selbst zusammengebauten Regal stapelt sich Literatur, am Armaturenbrett bringen sie ein „Radar 2000“ an, eine Art Schiffeversenken-Spiel, das ihrem Auto den Glanz des Exotischen verleiht. Der französische Comic-Künstler Nicolas de Crécy hat mit der Graphic Novel „Transit Visa“ eine Art Road Movie geschaffen: Komisch, fantastisch, inspirierend, voller poetischer Einfälle und absurder Handlungen. Auf gut 400 Seiten lässt er die beiden sympathischen Protagonisten in eine Welt von gestern eintauchen, die sie aus der Ferne romantisieren.

„Eiserner Vorhang“

Crécy zeigt die Welt von damals, die hinter dem „Eisernen Vorhang“ nicht nur fremd, sondern nahezu unerreichbar war. Tschernobyl taucht immer wieder im Rückspiegel der Erinnerungen auf. Crécy erzählt stets poetisch, zum Beispiel als Nicolas und Guy in Zagreb in ein Geschäft stolpern: „Wir glichen zwei verstörten Phantomen, die eine Theaterbühne betraten, die sorgsam hergerichtet war, um der Vorstellung zu entsprechen, die man sich vom Osten machte.“

Der Autor hat in seinen eigenen Erinnerungen gegraben und legt mit dieser Graphic Novel eine Geschichte voller Ironie vor, die selbst in den düsteren Stunden Sinn für Humor hat. Grandios. ●●●●○
Andreas Kanatschnig

Nicolas de Crécy. Transit Visa. Reprodukt, 416 Seiten, 46,50 Euro.