In Zeiten des nationalen Überdrucks und der gesellschaftlichen Verhärtung einen Roman mit dem Titel „Heimat“ zu veröffentlichen, ist kein geringes Wagnis – der Schauspieler und Autor August Schmölzer ist es eingegangen. Und, um es vorwegzunehmen, er ist vor allem deshalb nicht gescheitert, weil er jeder Verengung und Simplifizierung ausgewichen ist. „Heimat“ ist weder ein schmieriger Heimat-Roman geworden, noch ein störrischer Anti-Heimatroman. Schmölzer findet in diesem Roman jene Mitte, die aus dem verbalen Portfolio der Politik nicht mehr wegzudenken ist. Er porträtiert das Ländliche, in diesem Fall das Dorf St. Vinzenz in der Weststeiermark so, wie es ist: voll praller Schönheit und abgründiger Bösartigkeit. „Das Gute und das Schlechte geben sich in St. Vinzenz die Hand“, sagt Frau Klug, die nicht nur so heißt, sondern es auch ist.
Er ist selbst dort aufgewachsen
Franziska Klug, eine betagte Kleinbäuerin, und der pensionierte Gendarm Josef Sudi, der sich in deren Haus und Herz eingenistet hat, sind die Hauptfiguren dieser „semi-fiktiven Geschichte“, wie es August Schmölzer nennt. Er ist selbst in diesem Landstrich aufgewachsen, lebt und arbeitet dort, und man kann davon ausgehen, dass die eine oder andere reale Person als Romanfigur auftaucht. Die Bewohner von St. Vinzenz sind wie der Schilcher, der dort in Strömen fließt: sperrig und unberechenbar.
Die Geschichte beginnt heimtückisch sanft, doch bald tun sich tiefe Risse auf in der christlich-konservativen Fassade. Die verordnete Zusammenlegung zwischen Süd- und Weststeiermark sorgt für böses Blut zwischen den Weinbauern, der Bürgermeister säuft seine Probleme weg, viele Ehen sind brüchig, die Jugend wandert ab, die national-traditionelle Partei fischt im Teich der Unzufriedenheit. Und dann passieren auch noch zwei Morde und alter Dreck, der seit dem Krieg unter den Teppich gekehrt wurde, kommt an die Oberfläche.
Schmölzers Buch ist eine Liebeserklärung
Schmölzers Buch ist eine kritische Liebeserklärung voll Wortwitz und Sprachklugheit, seine Figuren haben Ecken und Kanten, die Handlung verläuft rustikal. Es wird viel gesoffen, gerauft, gelogen, betrogen Er legt Probleme und Missstände offen, stellt die Menschen aber nicht bloß. Sein Roman ist eine gelungene Mischung aus Provinzposse, Gesellschaftssatire und Kriminalroman. Und Sätze wie diese zeugen auch von seinem wachen politischen Verstand: „ So kommt, wie meist, wenn zu lange weggeschaut wird, zum richtigen Zeitpunkt das Falsche daher.“
„Heimat“ ist keine Ehrenrettung derselben, sondern eine ergebnisoffene Bestandsaufnahme. Ein vifes, voltenreiches, auch mutiges Buch über das Glück, Wurzeln zu haben und über die Gefahr, von ihnen erwürgt zu werden. Verpackt hat August Schmölzer all das in eine spannungsreiche Geschichte, in der er nichts ausspart und niemandem etwas erspart. Es ist, was es ist. Und wenn es noch so unbequem ist.
August Schmölzer. Heimat. Keiper, 254 Seiten, 24 Euro.