Ein Gorilla auf dem Gelände des Londoner Zoos hebt einen Vorhang und lässt andere Tiere frei, ein Steinbock balanciert auf einem Mauervorsprung und droht fast abzustürzen, ein Nashorn besteigt ein Autowrack, ein Wolf auf einer Satellitenschüssel heult in den Himmel, Äffchen hangeln sich über eine Zugbrücke, zwei Elefanten strecken einander die Rüssel entgegen – es war tierisch was los in dieser Woche in London. Der ebenso berühmte wie geheimnisumwitterte Street-Art-Künstler Banksy hat eine Serie von insgesamt neun Tier-Graffitti an verschiedenen Orten der Stadt platziert und sich jeden Tag pünktlich gegen Mittag zur Sprayaktion bekannt. Somit ist klar, dass es sich um echte Banksy Werke handelt, die inzwischen Höchstpreise in zweistelliger Millionenhöhe erzielen. Und deshalb auch unter Unbefugten heiß begehrt sind: Maskierte Diebe sind auf das Garagendach im Stadtteil Peckham geklettert und haben die Satellitenschüssel mit dem heulenden Wolf abmontiert. Sie konnten entkommen.

Ebenso rätselhaft wie der Künstler selbst, über dessen Identität es bis heute nur Vermutungen gibt, ist die tiefere Bedeutung der jetzigen Tier-Serie. Weil Banksys Botschaften in den allermeisten Fällen explizit politisch sind – gegen Kriege, Gewalt gegen Frauen, Brexit – wird auch in Nashorn & Co. aktuelle Botschaft hineininterpretiert. Vor allem der torkelnde Steinbock gibt Anlass dazu. Er sei eine Anspielung auf die verheerende Lage in Palästina, heißt es. Andere wiederum wollen wissen, dass Banksy mit seiner Aktion die Rückeroberung der Stadt durch Tiere symbolisieren wollte. Die Zeitung „The Observer“ wiederum bezeichnete die Viecherei als Gute-Laune-Aktion für ein schwer krisengebeuteltest Land.

Aber ganz so harmlos dürfte es nicht gemeint sein. Einen verglasten Kontrollposten der Londoner Polizei verwandelte Banksy in ein Aquarium. Darin: Piranhas. Banksy bleibt also geheimnisvoll, hintergründig. subversiv. Und bissig. Also genauso, wie Kunst sein muss.