Kaum waren die ersten Tränen über die Enttäuschung der Konzert-Absagen von Taylor Swift am Mittwochabend getrocknet, formierten sich die Fans an vielen Orten Wiens zu einem friedlichen, einander tröstenden Trotzdem-Körper. Hits wie „Karma“, „Anti-Hero“ oder dem plötzlich passenden „Cruel Summer“, also grausamer Sommer, sangen die textsicheren „Swifties“ bei Spontankonzerten. Bis weit nach Mitternacht besetzten sie den Stephansplatz. Geschäftsleute hängten Plakate mit Aufschriften wie „Support für Taylor Swift“ an die Fenster, Rikscha-Fahrer spielten Songs durch ihr Radio, Handykameras filmten.

Das sind die Bilder, die nun aus Wien dank TikTok, Instagram oder X auch um die Welt gehen: Die großteils weiblichen Swift-Fans trotzen den terroristischen Anschlagsplänen und erobern sich singend, tanzend und in Glitzer gekleidet den öffentlichen Raum zurück. Das verbindende Element der Swift‘schen Superkraft ist sicht- und spürbar: Die Fans rücken zusammen, bäumen sich gegen den Hass der IS-Sympathisanten des vereitelten Terror-Anschlags auf. Die Bevölkerung steht ihnen bei: Eine Restaurantkette sponsert Gratis-Burger, in vielen Wiener Museen ist der Eintritt bei Vorweisen eines Konzerttickets frei, jener für die Freibäder reduziert, in einer Kirche hat man den ganzen Tag lang Swift-Songs auf der Orgel gespielt.

Fanauflauf in der Wiener Corneliusgasse, denn „Cornelia Street“ lautet ein Song von Taylor Swift
Fanauflauf in der Wiener Corneliusgasse, denn „Cornelia Street“ lautet ein Song von Taylor Swift © APA / Tanja UngerbÖck

Eines ist klar: Die mutmaßlichen Täter hatten es nicht nur auf den Popstar der Stunde abgesehen, sondern auch auf ihre meist weiblichen und vielen queeren Fans. Sowie auf die Werte, die der Community heilig sind: Populärkultur, Zusammenhalt, Feminismus, Emotionen, Spaß. Jedes Konzert von Taylor Swift ist ein Festakt der Weiblichkeit. Ihre Song-Texte erzählen vom Leben der Frauen, ihren Enttäuschungen, ihren Liebeswirren, ihrer Widerstandskraft und von der Selbstverständlichkeit, sich als Frau den Raum zu nehmen, den man möchte.

Ein Bild, das mehr als tausend Worte sagt, ist dieses: Eine Jugendliche tauscht eines ihrer Armbänder mit einem Polizisten. Darauf zu lesen „Fearless“. Furchtlos. Von außen betrachtet, mögen die Armbänder, die die „Swifties“ tragen sowie die simplen Botschaften wie „Love“, „Dream“, „Breathe“, „Ours“ wie kitschige Kalendersprüche anmuten. Die Swift-Gemeinschaft nimmt sie ernst, feiert sie. Ganz ohne Zynismus.

Dass Taylor Swift, die stets eine emotionale Bindung zu ihren Fans hält, sich bislang noch nicht gemeldet hat, mag viele verwundern. Dass es passiert, daran glauben die „Swifties“. Im britischen „Mirror“ ließ ein Insider ausrichten, der Star sei „am Boden zerstört“. Es war nicht Swifts erste Erfahrung mit Übergriffen. „Wir müssen mutig leben, um uns lebendig zu fühlen“, schrieb sie in einem Text zu ihrem 30. Geburtstag. Das bedeute auch, „sich nicht von unseren größten Ängsten beherrschen zu lassen.“ Die Fans machen es ihr vor.