Diese eine Szene erzählt alles: Holger Olsen (Viggo Mortensen) kehrt nach viel zu langer Zeit im amerikanischen Bürgerkrieg zurück zu seiner Frau Vivienne (Vicky Krieps). Die innerlichen Luftsprünge über dieses Wiedersehen sind äußerlich nicht bemerkbar. Sie stehen sich verzagt gegenüber. „Wie war dein Krieg?“, fragt sie ihn schließlich. Er antwortet zögerlich. „Zu lang“, sagt er. Und: „Nicht das, was ich erwartet habe.“ Nachsatz: „Und wie war deiner?“

Dieser Mann ahnt, was sie in seiner Abwesenheit erfahren musste; all die Entbehrungen, die Gewalt, die Wunden und den Kampf um Selbstbehauptung, den sie führen musste, um in dieser patriarchalen Welt nahe einem Städtchen in der Wüste Nevadas irgendwann in den 1860ern überleben zu können. Als sie sich wiedertreffen, ist sie nicht mehr alleine. Nach einer Vergewaltigung wurde sie schwanger.

Diese Vivienne ist eine tolle, emanzipierte Frauenfigur: selbstbewusst; wissend, was sie will und wie sie leben und lieben will. Auch den Saloon-Job lässt sie sich nicht ausreden. Vicky Krieps (“Corsage“, „Der seidene Faden“) ist mit ihrem reduzierten Spiel, ihren Blicken und Gesten, die alles erzählen können, die Idealbesetzung.

Der „Herr der Ringe“-Star hat bei „The Dead Don‘t Hurt“ nicht nur zum zweiten Mal Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben und die Musik komponiert. Viggo Mortensen erzählt in Rückblenden von einer Liebe zweier Außenseiter – einem dänischen Immigranten sowie Anti-Revolverhelden und einer Frankokanadierin. Ruhig und konzentriert skizziert er, was der „Wilde Westen“ für jene bedeutet, die dort leben.

Erstaunlich gegenwärtiges Familienbild in „The Dead Don‘t Hurt“
Erstaunlich gegenwärtiges Familienbild in „The Dead Don‘t Hurt“ © Alamode

Es ist auch ein weiblicher Blick auf ein Setting voller schnaubender Pferde, schwingender Salontüren, sexistischer Witze und staubiger Straßen. Das Western-Setting bleibt der Ausgangspunkt, um das Recht des Stärkeren zu verdeutlichen: Wer zuerst die Pistole zückt, gewinnt. Wer Land einnimmt, dem gehört es. Wer am lautesten schreit, hat Recht. „The Dead Don‘t Hurt“ berichtet auch vom Krieg und den Fronten, die diejenigen ausgesetzt sind, die da bleiben, während die Männer in die Schlacht ziehen.

Nicht jedes Western-Klischee wird umschifft, aber der Kitsch bleibt außen vor. Und die beiden Schauspiel-Hochkaräter beeindrucken als Anti-Revolverhelden beim Verlieben, Trennen und behutsamen Wiederannähern. ●●●●○