Teufel auch, so viele Gehörnte! Frauen, Männer, Kinder. Tausende, Abertausende. In der Nacht sollten dann die „Devil Horns“ – Kostenpunkt 20 Euro – in einem roten Lichtermeer in die warme Sommernacht blinken. Schöner Anblick! Die Teufelshörner sind längst ikonisches Symbol für die Gruppe AC/DC, die am Sonntag eines von zwei restlos ausverkauften Konzerten im Wiener Happel-Stadion gab. Heute kaum noch vorstellbar: In den 70er- und 80er-Jahren wurde die Band für ihren harten Sound, aber vor allem für die vermeintlich sündhaften Texte von konservativen Kirchenmännern und Politikern verflucht – doch das ist längst Geschichte. Die Gruppe selbst, die 1973 in Australien gegründet wurde, ist es hingegen nicht. „Pwr up“, also „Power Up“, heißt die aktuelle Tour, die die putzmunteren Veteranen nach acht Jahren wieder nach Europa führte. Und die Kraft, das haben sie an diesem Abend eindrucksvoll zelebriert, ist ihnen noch nicht ausgegangen.
„Sehr gut, aber überraschungsfrei.“ Mit diesen Worten beginnt üblicherweise eine AC/DC-Konzertkritik. Und, ja, auch das erste Wien-Konzert (das zweite folgt am Mittwoch) verlief so, wie es das Publikum erwartet und wohl auch erhofft hat. AC/DC sind auch nicht gekommen, um zu überraschen, sie sind ja keine Wundertüte; sie sind gekommen, um einmal mehr zu beweisen, dass die DNA der Rockmusik unveränderbar ist und man an diesem fantastischen Werkl auch nicht groß herumschrauben muss.
Mit „If You Want Blood“ haben Brian Johnson (76) und Angus Young – nach dem Tod von Malcolm Young 2017 die beiden übrig gebliebenen Säulen der Band – den Abend eröffnet, mit „Back in Black“ folgte gleich die erste Ewigkeitshymne. Für das standfeste Rhythmusgerüst sorgten Stevie Young (der Neffe von Angus und Malcolm Young), Chris Chaney und Matt Laug. Der Song „Back in Black“ und das gleichnamige (enorm erfolgreiche) Album aus dem Jahr 1980 haben für die Band übrigens eine besondere Bedeutung. 1980 starb Sänger Bon Scott, die Gruppe stand vor dem Aus, doch dann kam Brian Johnson und ist seither die markante Stimme von AC/DC. Der sympathische (Ex-)Mechaniker mit dem obligaten Kappl hat eine markerschütternde Rockröhre, die beim Wien-Auftritt nur kurzfristig leicht schwächelte. Kein Wunder, bei diesem Einsatz. Plaudertasche ist Johnson keine, muss er auch nicht sein. Das „Nice To Be in XY“-Gequatsche ist ohnehin nervig.
Auch Angus Young gab keinen Ton von sich, dafür ließ er ausgiebig seine Gitarre sprechen. Bekleidet mit der ebenfalls ikonischen Schuluniform – in Wien war sie in rot gehalten – fegte er über die Bühne, vollführte immer wieder den „Duck Walk“, und diese Referenz an Chuck Berry kommt nicht von ungefähr. AC/DC, das ist kein Hardrock, das ist in Wahrheit purer Rock and Roll. Rau, ruppig, einfach gestrickt, schnörkellos. Ja, freilich, Männerrock. Da geht es um Bier, Bars, (dicke) Frauen, Autobahnen und andere Testosteronbooster. Aber dafür waren erstaunlich viele Frauen im Publikum. Auch das ein Phänomen: AC/DC sind ein Anachronismus, der nicht den muffigen Geruch eines solchen hat. Was bei anderen peinlich wirkt, ist bei ihnen liebenswürdige Gestrigkeit.
Unzerstörbare Rockmusik
Überraschungsfrei. 21 Songs standen auf der Set-List – und kein Hit wurde ausgelassen. Der Sound im Happel-Stadion war – auch das keine Überraschung – wieder gewohnt schlecht. Der Ablauf war routiniert, aber nicht routinemäßig. Blitz und Donner bei „Thunderstruck“, natürlich senkte sich die große Glocke auf die Bühne und die „Hells Bells“ erklangen, der „Rock and Roll Train“ dampfte vorbei, die „Highway To Hell“ führte schnurstracks ins Finale Furioso. Ein Brett folgte auf das nächste, da gab es kein Ausschnaufen, keine Balladen-Balzerei. „Whole Lotta Rosie“ wurde in die Halle und auf die Leinwand gewuchtet. Höhepunkt des Abends war das in „Let There Be Rock“ eingebettete furios-exzessive Gitarrensolo von Angus Young, das kein Ende nehmen wollte und das der 69-jährige Schulbub-Derwisch auf einem ausfahrbaren Podest weiterspielte. Ein unvergesslicher Moment hat die Urkraft und Unzerstörbarkeit der Rockmusik wunderbar visualisiert: Young wieselte die Bühne hoch und dann stellte sich dieser schmächtige, kleine, weißhaarige, schweißüberströmte Mann vor die mächtige Wand aus Marshall-Boxen und saugte im wortlosen Zwiegespräch mit dem Publikum triumphal letzte Töne aus seiner Gitarre. Der krachende Schlussstein wurde mit dem Rausschmeiß-Hadern „For Those About To Rock (We Salute You)“ gesetzt. Kanonendonner. Und aus nach zweieinhalb Stunden Konzerterlebnis. Fazit: Überraschungsfrei, aber überragend.
Das Publikum – 59.000 Menschen waren am Sonntag ins Happel-Stadion gekommen – feierte voll überschäumender Begeisterung etwas, das im Musikbusiness rar geworden ist und ausgerechnet von einer Band vertreten wird, die bereits seit mehr als 50 Jahren auf diesem verkehrs- und unfallsreichen Highway unterwegs ist. Ehrliche, harte Arbeit ohne viel Bling-Bling und Geschwurbel. Vielleicht ist das dem Leistungsethos der schottischen Arbeiterklasse geschuldet, aus der der Young-Clan stammt. Und das Schlusswort haben AC/DC natürlich selbst: „And The Music Was Good/And The Music Was Loud/And The Singer Turned/And Said To The Crowd:Let there Be Rock!“