Seit vier Jahrzehnten, als Theatermacher und Leiter der Performancegruppe „Forced Entertainment“, schafft der nebenher u.a. als Autor und Lichtkünstler tätige Brite Tim Etchells aus Fragmentierung und Dekonstruktion magische Momente. In seinem jüngsten Projekt „How Goes the World“ ist dieses Prinzip auf die Spitze getrieben: das Stück, Teil der  Projektreihe „Histoire(s) du Théàtre“ an Milo Raus Bühne NT Gent und diese Woche zu Gast bei den Festwochen, befasst sich mit Konstellationen und Beziehungssystemen, die auf der Bühne entstehen.

Es klopft an der Tür, doch niemand kommt herein

Um die auszustellen, braucht Postdramatiker Etchells  natürlich keine Erzählung, „How Goes the World“ ist ausschließlich aus Bruchstücken und Randfiguren gebaut: Die Bühne ist eine Kulissen-Rumpelkammer, das Performer-Quartett Aurélie Alessandroni, Neil Callaghan, Aurélie Lannoy und John Rowley tritt in einer Vielzahl von Rollen auf, die üblicherweise weit unten auf dem Besetzungszettel stehen: Hausmädchen, Salondame, Polizist, Doktor, Hausfreund. Und auch die Situationen, durch die sie in immer rasenderem Tempo galoppieren, wirken wie von der Resterampe des Theaters gekratzt: Ein Telefon klingelt, und niemand ist dran, es klopft an der Tür, doch niemand kommt herein.

Zwischen Slapstick und Unbehaglichkeit

Alsbald zeigt sich: die Geräuschkulisse, die knistert und rauscht wie eine verkratzte alte Plattenaufnahme, gibt Geschehen und Takt vor, und die Performer reagieren. Erklingt das Piano, muss jemand tun, als spiele er darauf, ertönt ein Pistolenschuss, muss jemand umfallen, hört man ein Baby weinen, wird ein Mantel zum Steckkissen geballt und das Bündel sanft gewiegt. Immer und immer wieder, in einem mit fantastischer Präzision choreografierten, fast wortlosen Steigerungsakt aus Konfusion, Klamauk, Erschöpfung, bis der Kipppunkt zwischen Slapstick und Unbehaglichkeit erreicht ist. Und erst, wenn alle „Cues“, alle Stichwörter und Einsatzsignale verbraucht sind, legt sich Stille über die Szene.

Er habe untersuchen wollen, was auf einer Bühne passiert, wenn sie „von all den Dingen heimgesucht würde, die je auf ihr passiert sind“, hat Etchells vorab erklärt. „How Goes the World“ tritt den Beweis an, dass hinreißende theatrale Momente auch postdramatisch möglich sind, weil die Illusionskraft des Theaters auch ohne herkömmlichen Narrative wirksam bleibt.

How Goes the World. Halle G, Museumsquartier Wien-. 10./11./12. Juni, 20.30 Uhr. festwochen.at