Man muss nicht unbedingt ein Heavy-Metal-Fan sein, um dieses Buch zu mögen. Aber in den Soundtrack zu den Erlebnissen dreier junger Amerikaner hineinzuhören verstärkt nur den intensiven Eindruck, den der Roman des in Kärnten aufgewachsenen US-Autors John Wray hinterlässt. Zum Hineinhören reicht schon das Hineinlesen, etwa über die erste Live-Begegnung des 16-jährigen Kip mit der brachialen Musik: „Dann traf ihn das Tempo mit voller Wucht, was sich anfühlte, als würde in einem Raumschiff eine Luftschleuse geöffnet. Kip wurde in sich selbst zurückgesaugt: Er spürte seine Umgebung wieder, spürte seinen Körper im Verhältnis zu anderen Körpern. Er rückte so nahe wie möglich an die Verstärker, ließ die Luft in seinen Lungen vom Woofer zum Vibrieren bringen. “

Es sind die späten 1980er Jahre im erzkonservativen Florida. Zu Kip, der wegen seiner desaströsen Familienverhältnisse bei seiner Großmutter lebt, gesellen sich der schwarze, bisexuelle Leslie und die wilde Kira mit einer im Dunkel bleibenden Missbrauchsgeschichte durch ihren Vater. Mit ihrem ausgeprägten Todeswunsch sucht sie immer extremere Formen von Metal-Musik: „Die Wahrhheit zu sagen gehört zu dem wenigen, was mir wichtig ist. Die Dinge zu sehen, wie sie sind. Nicht so zu tun, als wären sie besser. Dafür ist Metal da, Metal ist wie ein Flammenwerfer, der allen Bullshit verbrennt.“

In drei Teilen erzählt „Unter Wölfen“ eine Entwicklungsgeschichte, die rasant an Tempo zunimmt. Was als Coming-of-Age-Story im Stil von Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ beginnt, erinnert bald an die „Stadtgeschichten“ von Armistead Maupin, der die LGBTQ-Szene in Kalifornien ausleuchtete, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Das Finale ist dann ein haarsträubender Thriller, der die Leserin in die düsteren skandinavischen Wälder führt:„Das da drüben ist ein Todeskult, kapiert ihr? Diese Kids wollen Wikinger sein. In einer Band spielen sie nur, um sich die Zeit zu vertreiben, bis sie in einer Schlacht sterben.“ Schon das Cover der US-Originalausgabe zeigt mit seiner Schrift im „Metallica“-Stil, wohin diese Road Novel führt (die deutsche Ausgabe gibt sich harmloser). Man muss die Musik von Metallica und Co. nicht mögen. Wie John Wray darüber schreibt, fasziniert aber vom ersten Ton an.

John Wray. Unter Wölfen. Rowohlt, 48 Seiten, 27,50 Euro.

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