Im Mietshaus herrscht ordentlich Trubel: Kinder stürmen durch die Gänge, studentische Wohngemeinschaften lassen die Sau raus, rüstige Pensionistinnen und Pensionisten meckern, was das Zeug hält. Wie eine solche Villa Kunterbunt zum Nährboden für Zusammenhalt reifen kann, veranschaulicht der Kärntner Regisseur und Drehbuchautor Rupert Henning („Wie ich lernte bei mir selbst Kind zu sein“) in seiner neuen Regiearbeit picksüß und doch unwiderstehlich. Die ORF-Produktion „Tiefwassertaucher unterm Dach“, die im Rahmen der Diagonale uraufgeführt wurde, versucht, gesellschaftlicher Spaltung mit wohltuender Friedensutopie entgegenzutreten.
Alles beginnt in einem Wohnblock vor Wien. Umzingelt von jungen Studierenden und Mitmenschen älteren Semesters hat es sich auch eine dreiköpfige Familie heimelig gemacht: die alleinerziehende Mutter Annie (Martina Ebm) mit ihren zwei Kindern – der wissbegierigen Lena (Ariana Stöckle) und ihrem etwas älteren Bruder Tino (Leopold Pallua). Ihre Dreisamkeit wird allerdings auf eine harte Probe gestellt. Mama Annie hat mit einer psychiatrischen Störung zu hadern, die ihr Handeln im Alltag zunehmend einschränkt. Ihr mentaler Zustand erreicht einen Punkt, an dem ihr das Sorgerecht entzogen werden soll. Lenas leiblicher Papa Richard (Hanno Kofler) will die Obhut übernehmen, obwohl dieser zuvor wenig Interesse am Vatersein gezeigt hatte. Die Kinder setzen alle Hebel in Bewegung, um zu beweisen, dass ihre Mutter sehr wohl ihrer Fürsorgepflicht nachkommen kann. Sie können auf tatkräftige Unterstützung aus der Nachbarschaft zählen.
Kein realitätsgetreues Porträt
In knackigen 90 Minuten erzählt der Fernsehfilm eine herzliche Geschichte über Familie, Krankheit und Gemeinschaft. Die tragikomische Gratwanderung, die man wagt, gelingt jedoch nicht immer: Billige Pointen und hölzerne Dialoge bremsen den Spaß zuweilen. Auch sollte man sich kein realitätsgetreues Porträt der aufeinander prallenden Generationen erwarten, gerade die Darstellung der nichtsnutzigen Gen-Z-WG scheint überholt und von Klischees überhäuft bis zum Gehtnichtmehr. Sobald aber die Grenzen zwischen diesen grundverschiedenen Welten endgültig einzureißen drohen, kann man sich der positiven Kraft nicht mehr komplett entziehen. Als Plädoyer für ein ziviles, unvoreingenommenes Miteinander ist das alles schon ziemlich nett.
Unter den Premierengästen im Grazer Schubertkino waren u. a. Rupert Henning, die Darstellenden Martina Ebm, Hanno Koffler und Skye MacDonald.
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Christian Pogatetz