Der ORF veröffentlicht heute seinen neuen Ethikkodex für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Medienhauses. Er regelt etwa Nebenbeschäftigungen, den Auftritt auf Social Media und den Umgang mit politischen Vertretern, um das Vertrauen in den ORF nach so manchem fragwürdigen Vorfall in der Vergangenheit zu gewährleisten.
ORF-Chef Roland Weißmann hatte im Vorjahr eine Ethikkommission in Kraft gesetzt, die sich mit der Ausarbeitung bzw. Nachschärfung von Regeln befasst hat. In dem 25-seitigen Ethikkodex, der der APA vorliegt, wird festgehalten, dass Vertrauen wichtig für die Akzeptanz des ORF sei. Um Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu wahren, müsse der Anschein einer Unvereinbarkeit vermieden werden.
Der Kodex gilt für alle ORF-Mitarbeiter sowie Personen, deren Verhalten dem ORF zugerechnet werden kann. „Gesichter des ORF“ – also besonders bekannte ORF-Mitarbeiter wie etwa Moderatoren – als auch Direktoren und Führungskräfte unterliegen einem besonders strengen Maßstab. Die Verhaltensgrundsätze umfassen die Bereiche Nebenbeschäftigungen, Social Media, Unternehmenskommunikation, Antikorruption, Interessenskonflikte und politische Aktivitäten.
Zu Nebenbeschäftigungen (Moderationen, Vortragstätigkeiten, Buchveröffentlichungen, etc.) hält der Kodex fest, dass diese auch im Interesse des ORF sein können, sofern keine Unvereinbarkeit vorliegt. Denn: „Die Mitarbeitenden des ORF verfügen über ein großes Ausmaß an Expertise, die etwa in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur gefragt ist“. Von Nebenbeschäftigungen, die geeignet sind, das Ansehen des ORF zu schädigen, in ihrem Umfang die Tätigkeit für den ORF beeinträchtigen oder auch einen Interessenskonflikt begründen, müssen die Mitarbeiter aber Abstand nehmen. Nebenbeschäftigungen von redaktionellen Führungskräften sind besonders restriktiv zu handhaben.
Jede Nebenbeschäftigung muss genehmigt werden
Besondere Achtsamkeit sei bei Auftraggebern geboten, über die der ORF regelmäßig berichtet – etwa politische Institutionen, parteinahe Organisationen und Institute oder auch Interessenvertretungen. ORF-Mitarbeiter dürfen zudem weder über den Auftraggeber einer Nebenbeschäftigung, noch über den Anlass der Nebenbeschäftigung berichten. Jede Nebenbeschäftigung muss vom jeweils vorgesetzten Dienststellenleiter genehmigt werden. Zudem dürfen die Tätigkeiten nur in der Freizeit ausgeübt werden.
Zum Punkt „Social Media“ hält der ORF fest, dass diese als Chance betrachtet werden, um neues Publikum anzusprechen und die ORF-Marken zu stärken. Die Unterscheidung von beruflicher und privater Sphäre sei auf den Plattformen für Dritte aber nur schwer oder gar nicht möglich. Bei Äußerungen in sozialen Medien seien daher die Werte des ORF (Objektivität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit) zu berücksichtigen. Kritische Auseinandersetzungen oder persönliche Wertungen über Dritte müssen „stets sachlich“ und begründet sein. Äußerungen, mit denen demonstrativ Sympathie oder Antipathie gegenüber politischen Institutionen zum Ausdruck gebracht werden, sind für ORF-Mitarbeiter unzulässig – auch Likes, Dislikes oder Retweets sind zu berücksichtigen. Je exponierter ein Mitarbeiter, desto sensibler und kritischer sind deren Social-Media-Äußerungen zu beurteilen, heißt es im Ethikkodex.
Stellungnahmen zu betriebsinternen oder unternehmenspolitischen Themen des ORF müssen mit der Unternehmenskommunikation bzw. dem ORF-Chef abgestimmt werden. Ausgenommen sind Belegschaftsvertreter.
Zum Punkt „Antikorruption“ steht geschrieben: „Der ORF duldet keine Verhaltensweisen, die das Unternehmen oder seine Mitarbeitenden mit nicht gesetzeskonformen Vorgängen oder Handlungen in Verbindung bringen.“ Der Status als ORF-Mitarbeiter dürfe niemals genutzt werden, um sich Vorteile wie Sachgüter, Dienstleistungen oder sonstige geldwerte Vorteile wie Mitgliedschaften zu verschaffen. Prinzipiell gilt ein allgemeines Geschenkannahmeverbot, das Ausnahmen etwa für ortsübliche Geschenke geringen Werts (bis zu 100 Euro) vorsieht.
Kein Interessenskonflikt
ORF-Mitarbeiter sind laut Ethikkodex zudem dazu verpflichtet, private Interessen und die Interessen des ORF streng voneinander zu trennen. Geeignet, zu einem Interessenskonflikt zu führen, seien etwa Naheverhältnisse zu Politikern oder Beteiligungen an Konkurrenzunternehmen. Da das Entstehen von Interessenskonflikten nie gänzlich verhindert werden könne, müsse umso mehr durch Transparenz jeder Zweifel an der Unabhängigkeit vermieden werden. Die ORF-Mitarbeiter sind verpflichtet, etwaige Interessenskonflikte Vorgesetzten zu melden.
Auch politische Aktivitäten schränkt der ORF ein. Unvereinbar sind etwa die Ausübung einer politischen Funktion oder die Kandidatur dafür, Wahlengagement und demonstrative öffentliche politische Sympathie- und Antipathieerklärungen. Die Unterstützung von gesellschafts-, sozial-, umwelt- oder weltpolitischen Themen kann zu einer Unvereinbarkeit führen, wenn sich diese Themen mit parteipolitischen oder ideologischen Anliegen überschneiden. Im Zweifel sei daher davon Abstand zu nehmen.
Solidarisierung und „Verhaberung“ sind zu vermeiden
Zu politischen Parteien und deren Vertretern ist „stets professionelle Distanz zu wahren“. Der Aufbau von Vertrauensverhältnissen steht dem nicht zwangsläufig entgegen. Solidarisierung und „Verhaberung“ sind schon im Ansatz zu vermeiden. Für früher politisch tätige Personen wird bei der Anstellung im Informationsbereich eine „Cooling-off-Periode“ von in der Regel fünf Jahren empfohlen.
Der Ethikkodex wird von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann als Dienstanweisung erlassen und ist unmittelbar verpflichtend. Verstöße können arbeits-, zivil- und möglicherweise auch strafrechtliche Folgen haben, heißt es gegen Ende Kodex.