Tiere in Formaldehyd zählen zu den spektakulärsten Kunstwerken des britischen Kunst-Superstars Damien Hirst. Darunter: ein großer Tigerhai in einem Tank. Seit Jahrzehnten zählt das 1991 entstandene Werk mit dem Titel „Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden“ zu den bekanntesten Arbeiten des Briten – und ist ein weltweit gefragtes Ausstellungsobjekt. Nun haben Recherchen der britischen Zeitung „The Guardian“ ergeben: Werke dieser Art, ein Hai, eine Taube und zwei Kälber in Formaldehyd, die zuletzt in Ausstellungen etwa in Hong Kong, New York, München und London zu sehen waren, stammen gar nicht aus Hirst bekanntester Schaffensperiode. Sie sind viel jünger und wurden 2017 von Hirst Assistenten in seinem Studio hergestellt.
Pikant an dem mutmaßlichen Schwindel: Offiziell wurden die Arbeiten offenbar von Hirsts Unternehmen Science Ltd rückdatiert. Das macht sie eventuell für Museen und Sammler interessanter. In den 1990ern wurde Hirst nicht zuletzt für seine Formaldehydpräparate (darunter konservierte Schafe und Kühe) mit dem renommierten „Turner-Preis“ ausgezeichnet. Später schuf er berühmte Werke wie einen mit Diamanten besetzten Totenschädel.
Di jetzt ist bekannt gewordene Umdatierung ist insofern unangenehm, als Hirsts Galerie Gagosian die Arbeiten offiziell als noch nie öffentlich gezeigte Werke aus den 1990ern präsentierte– eines davon, ein dreigeteilter Hai mit dem Titel „Myth Explored, Explained, Exploded“ und aus den Jahren 1993-99 datiert, ist derzeit im Münchener MUCA – Museum of Urban and Contemporary Art“ zu sehen. Ein anderes wurde offenbar in Hong Kong verkauft.
Hirsts Firma gab auf Anfrage an, die angegebenen Jahreszahlen seien kein Hinweis auf das Entstehungsdatum. Dass Jahreszahlen den Zeitpunkt der Entstehung angaben, ist allerdings die gängige Praxis in der Kunstwelt – zumal die Schaffensperiode üblicherweise den Preis mitbestimmt.
Hirsts „Science Ltd“ gibt aber an, die Datumsangaben bezögen sich auf den Zeitpunkt der Konzeption, also des Entwurfs – und nicht auf den der Ausführung. Und die Ideen zu den Werken habe Hirst eben bereits in den 1990ern gehabt. Es gebe in der Konzeptkunst keine Industriestandards zur Prüfung der Datierung, so Hirsts Anwalt.
In Rückmeldungen von Galerien und Museen wird dieser Haltung laut „Guardian“ allerdings durchwegs widersprochen. Auch gebe es Aussagen aus dem Umfeld von Hirsts Studio, man habe die Arbeiten auf Anweisung künstlich gealtert. Laut den Anwälten ist das wiederum eine übliche Vorgangsweise in Hirsts künstlerischem Prozess – und kein Hinweis auf gezielte Irreführung der Öffentlichkeit. Hirsts Galerie schließt sich der Argumentation an.