Fliegende Locken, ein aufgemalter Kussmund; unter schweren Kunstwimpern ein selbstbewusster, offener Blick. Kein Zweifel: Hier wird man von einem souveränen Menschen angeschaut. Das phänomenale Frauenporträt ist eine von gut 40 Fotografien, die ab heute im Museum Hartberg zu sehen sind.
Dem Haus ist mit der Ausstellung ein bemerkenswerter Coup geglückt: eine Personale der Fotografin Elfie Semotan. Sie zählt zu den wenigen internationalen Superstars der österreichischen Fotoszene, ihre Bilder erschienen in „Time Magazine“ und „Vogue“, im „New Yorker“ und in „Interview“; ihre genreüberschreitende Kunst-, Mode-, Werbefotografie hat Generationen von Fotografen und Fotografinnen, Betrachterinnen und Betrachtern geprägt. Und doch markiert die Schau erstaunlicherweise auch ein Debüt: Es ist Semotans erste Ausstellung, die ganz auf Porträts fokussiert.
„Ein fast performativer und sehr intimer Prozess“
Der echten Porträtkunst Raum zu geben – gerade angesichts der gerade explodierenden Anzahl AI-generierter Konterfeis – ist dabei natürlich ein zentrales Thema. Kuratorin Michael Leutzendorff-Pakesch will mit der Schau aber auch Semotans besondere Fähigkeit würdigen, die Menschen, die sie vor die Kamera holt, auch aus sich herauszulocken: „Es ist ein fast performativer und sehr intimer Prozess, mit dem sie ihr Gegenüber quasi zum Tanzen bringt.“
Semotan selbst ging es, erzählt sie, auch bei Mode- und Werbeaufnahmen, immer „um das Eigene, Persönliche. Es hat mich nie besonders gereizt, die bekannten Gesten und Situationen zu zeigen, die der Mode und dem Luxus gehören. Diese Glorifizierung des Äußeren fand ich unnötig, daran wollte ich nicht teilnehmen.“
So dahingesagt, klingt das nicht so radikal, wie es tatsächlich war. Semotan („Jeder Mensch hat eine Seite, die interessant ist, man muss halt warten, bis sie sich zeigt“) machte in ihren Bildern das, was in der Branche oft bloße Behauptung bleibt: Sie zeigte die Mode als ein Ausdrucksmittel der Persönlichkeit. Ein Bruch mit der Gewohnheit, oft genug diente (und dient) in Fashionstrecken der objektifizierte Körper ja nur dem bloßen Transport der Werbebotschaft.
Vor ihrer Weltkarriere als Fotografin war Semotan selbst ein paar Jahre als Model tätig. Sie wusste daher, „dass man sich wahnsinnig verlassen vorkommen kann vor der Kamera“. Ihre Porträts lassen sich also auch als Gegenentwurf dazu sehen: Sie zeigen emanzipierte Menschen, empfindsam, furchtlos und voll Charakter. Ikonische Bilder sind darunter: Die Politikerin Johanna Dohnal, lachend, mit Zigarette. Der Schauspieler Hanno Pöschl im voluminösen Fuchspelz. Elfriede Jelinek, fast mädchenhaft verletzlich.
Die Schau versammelt Unbekannte und Stars aller Genres: Designer wie Yohji Yamamoto und Helmut Lang, Filmstars wie Birgit Minichmayr und Clive Owen („ein supernetter, begabter Typ“), Kunstkaliber wie Jenny Holzer, Daniel Richter, Maria Lassnig, Louise Bourgeois („großartig, wie sie sich in ihrem hohen Alter in Pose geworfen hat“).
Eine Wand ist „monströsen, alten, weißen Mannern“ gewidmet, scherzt Kuratorin Leutzendorff-Pakesch (darunter Roman Polanski, Franz West, Bruno Gironcoli, Jason Rhoades), sehr viele der Porträtierten sind Frauen: Joan Semmel, Berta Rudofsky, Jutta Koether.
Kein Zufall. Und doch konzediert Semotan, die als Fotografin in einem Männerberuf so viele Barrieren überwand, sie habe nicht immer feministisch gedacht: „Ich habe ja gar nicht gewusst, was das ist.“ Heute, stellt sie fest, „würde ich auf jeden Fall sagen, dass ich Feministin bin. Weil es wichtig ist für unsere Weiterentwicklung und allen gut tut, wenn die Frauen die Zügel in die Hand nehmen und das Leben nach ihren Regeln formen.“
Gerade auch die Arbeit: „Kunst wird von Frauen anders gemacht als von Männern“, meint Semotan, die mit ihrem früh verstorbenen Mann Kurt Kocherscheidt zwei Söhne hat. „Man bezieht das ganze Leben mit ein, weil man gar nicht anders kann.“ Sie selbst habe am Anfang fotografiert, „wenn die Kinder geschlafen haben.“ Auf diese Art gebunden zu sein, „beeinflusst alles, was man sieht“. Auch die Einsicht, „dass alle Dinge ihre Schönheit haben. Und dass man den Leuten Respekt entgegenbringen muss, egal, was sie machen.“ In 40 imposanten Beispielen ist die Konsequenz daraus ab heute in Hartberg zu sehen.
Elfie Semotan. Portraits. Musuem Hartberg. 8. März-26. Mai,. Mi-So 10–16 Uhr.
Ute Baumhackl