Eine kluge Regie, ein Quartett guter Schauspieler, ein Multiinstrumentalist–- und schon steht ein glamouröser Abend, die bunte Revue eines Lebens: Mit „Luziwuzi“ von Ruth Brauer-Kvam ist dem Wiener Rabenhof-Theater am Donnerstagabend mit letztlich einfachen Mitteln ein ungewöhnliches Porträtstück gelungen und Conchitas Alter Ego Tom Neuwirth ein umjubeltes Schauspieldebüt. Luziwuzi hätte es wohl gefallen – oder der Habsburger-Prinz hätte sich das Maul zerrissen, wer weiß.
Schließlich galt der jüngste Franz-Joseph-Bruder Ludwig Viktor vulgo Luziwuzi als das größte Lästermaul der regierenden Familie. Und als Freigeist, der seine Homosexualität für die Kaiserzeit verhältnismäßig frei auslebte und am Ende doch über einen Skandal stolperte und in der Verbannung endete.
Dieses Leben außerhalb der Normen seiner Zeit skizzieren Brauer-Kvam und Co-Autor Fabian Pfleger in einem Kompendium greller Schlaglichter. Schnell, camp, trashig und humorvoll entfächert sich das Bild eines Libertins und einer auf Doppelmoral bauenden Zeit gleichermaßen. Mal greift Tom Neuwirth in der Titelpartie zum Mikrofon und singt ein berührend melancholisches Liebeslied, mal tänzeln die Kaiserbrüder in der Quadrille mit Steckenpferden zur „Radetzky-Marsch“-Variation durch die als ausgelassenes Schwimmbad gestaltete Bühne.
Der 35-jährige Neuwirth ist dabei der einzige Akteur des Abends, der seinem Charakter treu bleibt und den in der Kaiserfamilie Luziwuzi Genannten in verschiedenen Lebensaltern darstellt. Dass Brauer-Kvam und Pfleger den Part dem Theaterdebütanten letztlich auf den Leib geschrieben haben, ist dabei evident. Dieser Luziwuzi ist eine Diva, lasziv, ein mondänes Wesen und damit bezüglich Attraktivität unendlich näher dem Conchita-Erschaffer als dem realen Ludwig Viktor, in dessen Gesichtszügen sich der limitierte Genpool der Habsburger markant widerspiegelt.
Das überraschendste Momentum des Abends ist aber, dass die drei Mitspieler des Neoakteurs Neuwirth – Florian Carove, Gerhard Kasal und Sebastian Wendelin – vollkommen neben der vermeintlichen Überfigur bestehen und beileibe nicht nur als Wasserträger fungieren. Die drei schlüpfen im Minutenrhythmus in neue Rollen, wechseln vom jovialen Franz Joseph zur Sisi, die im Wesentlichen aus Haaren zu bestehen scheint. Von der intriganten Fürstin Fugger zum machoiden Maximilian, vom Berliner Strichjungen zur strengen Erzieherin reicht hier der Rollenreigen, den Multiinstrumentalist Kyrre Kvam als Livemusiker gleichsam akustisch doppelt.
So steht am Ende das Werk über einen Habsburger, der in der Flut der Sisi-Huldigungen und den Massen an Franz-Joseph-Kitsch keine Rolle spielt. Und das in einer frechen, unkonventionellen Form abseits gängiger Biopics daherkommt. Drama Baby!
Martin Fichter-Wöß