Wir schreiben das Jahr 1974, die Ölkrise vom Vorjahr blubberte noch heftig und Richard Nixon musste nach der Watergate-Affäre seinen Hut nehmen. Währenddessen hauten sich Muhammad Ali und George Foremanbeim „Rumble in the Jungle“ ordentlich aufs Maul. Das würde mit ziemlicher Sicherheit Halvar, dem Häuptling von Flake, mordsmäßig gefallen. Der ist ein Mann der Tat, um es charmant zu sagen, dessen Wertschätzung für seine „Mitarbeiter“ sich für gewöhnlich in folgendem Satz verdichtet: „Rudert, ihr faulen Säcke!“ Ein Herrschender der Wikingerklasse, der mit dem Brustton der Überzeugung auch noch ein stolzer Haudrauf ist: „Mit dem Kopf hab ich noch nie gearbeitet.“ Und just am 31. Jänner 1974 erblickt ein junger Mann die Fernsehwelt, der dem aufgeblasenen Ego der Wikinger-Kampfmannschaft mit der denkbar spitzesten Waffe die Luft rauslässt – mit Klugheit.

Halvars Sohn Wickie ist der Star der Kinderserie „Wickie und die starken Männer“, die heute vor 50 Jahren zum ersten Mal im ZDF ausgestrahlt wurde, am 17. Februar folgte die Serie dann im ORF. Es war die erste derartige internationale Gemeinschaftsproduktion der Sender, die das japanische Zeichentrickstudio Zuiyo Enterprise mit der Umsetzung der Romanvorlage des Schweden Runer Jonsson beauftragte. 78 Folgen zu rund 23 Minuten sind daraus entstanden und die flimmern noch heute über die Bildschirme, auch wenn es seit 2014 eine verkürzte, moderne 3D-Version gibt.

Seit 2014 gibt es Wickie nun auch computeranimiert als 3D
Seit 2014 gibt es Wickie nun auch computeranimiert als 3D © Zdf/studio 100 Animation / Ase S

Am Klassiker wird nicht gerüttelt, denn die Kernbotschaft ist heute wohl wichtiger denn je: In einer Zeit, in der wir eine noch nie dagewesene Fülle an Wissen mit dem Smartphone jederzeit griffbereit haben, zeigt sich auch, dass Wissen zu haben, nicht mit klug sein, gleichzusetzen ist. Wickie hingegen zelebriert auch den Erkenntnisgewinn, lernt er doch beständig aus den Abenteuern der zur See fahrenden Wikingertruppe, die sich permanent in Schwierigkeiten bringt und nur durch Wickies Geistesblitze („Ich hab‘s!“) aus der Misere geholt wird. Hinzu kommt, dass der kleine Wikinger die Antithese zu den abgehobenen Marvel-Superhelden ist, die nahezu angstfrei sind. Wickie ist das Gegenteil davon: Er hat Angst vor Wölfen, dem schrecklichen Sven und fürchtet sich nach Raubersgeschichten, die ihm von den goscherten Wikingern aufgetischt werden. Doch wenn es brenzlig wird, behält er zwischen den panisch überkochenden Hitzköpfen standardmäßig die Nerven. Das kann man jedoch nicht von der Debatte in diversen Foren behaupten, wo zum Jubiläum lieber hämisch darüber diskutiert wird, ob Wickie nun ein Bub, ein Mädchen, non-binär oder genderfluid ist.

„Wickie und die starken Männer“, Montag bis Freitag ab 6.05 Uhr in ORF 1. In der ZDF-Mediathek ist derzeit die erste Staffel zu sehen und ab Freitag dann alle Folgen.

Die Wikingertruppe mit dem Klügsten in der Mitte
Die Wikingertruppe mit dem Klügsten in der Mitte © Imago
2011 drehte Comedian Michael „Bully“ Herbig den Spielfilm „Wickie auf großer Fahrt“, der auf Netflix zu sehen ist
2011 drehte Comedian Michael „Bully“ Herbig den Spielfilm „Wickie auf großer Fahrt“, der auf Netflix zu sehen ist © ORF