Eines vorweg. Der Mann kann schreiben! Nein, nicht Jack Unterweger ist gemeint, sondern Ernst Geiger, der damalige Chefermittler, der jetzt ebenfalls ein Buch zum „Fall Unterweger“ veröffentlicht hat. Es trägt den wortspielerischen Titel „Mordsmann“, ist ein „Thriller nach wahren Begebenheiten“, und falls er nicht Helferlein hatte – was natürlich unbewiesen ist – ist Geiger da ein sehr lesbares, spannendes und naturgemäß fachlich sehr fundiertes Werk gelungen.

Ähnlich wie Malte Herwig rollt auch Geiger den Kriminalfall noch einmal auf, belässt es aber nicht dabei, sondern wirft einen genauen Blick hinter die Kulissen. Geiger war damals Leiter der Mordkommission Wien, und er spart auch nicht mit Kritik in den eigenen Reihen. Niemand, auch die Polizei nicht, wollte damals an Unterweger als Serienmörder glauben. Der lebte bzw. inszenierte sich nach seiner Entlassung als Star-Autor, war – zumindest auf den ersten Blick – erfolgreich, hatte unzählige Frauen. Warum sollte so jemand Prostituierte ermorden?

Geiger räumt auch den Opfern und deren Lebensgeschichten großen Raum ein; gibt ihnen ihre Würde zurück, indem er sie dem Vergessenwerden entreißt. Einen Fokus legt er auf die offensichtlich großteils erlogene Biografie von Unterweger, der sich stets als Underdog, als Opfer ausgab. Geiger schildert auch, wie er vom Fall immer mehr besessen war und welche Auswirkungen das auf sein Privatleben hatte. Aber hier gehen die Pferde etwas mit ihm durch und die Beschreibung des persönlichen Umfeldes – ruheloser Cop, vernachlässigte Familie – erinnert an einschlägige US-Filme.

Dass ihm das Unterweger-Buch so flüssig von der Hand ging, mag auch daran liegen, dass Geiger kein Krimi-Novize ist. „Mordsmann“ ist sein dritter Roman nach „Heimweg“ und „Goldraub“ sowie dem Sachbuch „Berggasse 41“ über die Wiener Polizei während der NS-Zeit.

Am Ende von „Mordsmann“ zitiert Geiger aus den „privaten Notizen von Mag. Elisa Kronfeld“. Die Figur ist fiktiv, aber ihre Aussagen beruhen auf diversen psychiatrischen Gutachten. Kronfeld fragt: „Was trieb J. U. an? Was war die Quelle all seiner Aggression und seines Hasses, des Egoismus und der Selbstsucht? Wie war es möglich, dass viele Menschen so tiefe Gefühle für ihn empfanden, ihn als zärtlich und liebevoll erlebten? Wie konnte er existieren, ein Mann, der ein solcher Widerspruch war?“ Alles Fragen, die neben vielen anderen für immer unbeantwortet bleiben werden.

Ernst Geiger. Mordsmann. Thriller. Nach wahren Begebenheiten. Edition a, 456 Seiten, 21 Euro.

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