Mean Girls
Als die 16-jährige Cady (Angourie Rice) vom Privatunterricht in den Schulkosmos befördert wird, fühlt sie sich anfangs hilflos. Die Mädchenclique „Plastics“ gibt ihrer Popularität einen Boost. Sie beginnt, sich gleich zu kleiden, demselben Tratsch und Klatsch zu gehorchen. Da fürchtet selbst „Queen Bee“ (Rénee Rapp) um ihren Ruf. Mit „Mean Girls“ erzählte Tina Fey 2004 überdreht wie unverblümt vom Teenie-Dasein. Die Komödie mit Lindsay Lohan hat Kultstatus. Die Neuauflage orientiert sich nicht am Film, sondern an der Broadway-Adaptation. Zwischen Zickenkriegen wird nun gesungen, am Schulhof getanzt. Die Musical-Aufmachung schenkt dem Material frischen Wind, den man inhaltlich vermisst (pog). ●●●○○
The Holdovers
Winter 1970 an einem Elite-Internat in Neuengland: Paul, der grantige Lehrer für antike Geschichte mit seinem schielenden Auge, muss über die Weihnachtsferien den eigenwilligen Schüler Angus beaufsichtigen, weil er nicht nach Hause fahren darf. Das ungleiche Internats-Duo kriegt sich in die Haare, erkennt dann aber die Gemeinsamkeiten als einsame Außenseiter. Zwei Sonderlinge allein zu Haus; unterstützt von der afroamerikanischen Chefköchin Mary, die kurz zuvor ihren Sohn im Vietnam-Krieg verloren hat. Fünf Oscarnominierungen für einen Film, der sich schon jetzt wie ein Klassiker anfühlt (maw). ●●●●○
Die ausführliche Kritik
The Klezmer Project
„Kultur und Sprache sterben nicht. Sie werden ermordet“, stellt der argentinische Regisseur Leandro Koch fest. Er und seine Co-Regisseurin Paloma Schachmann sind auf einem Roadtrip im Dreiländereck Ukraine, Rumänien und Moldawien unterwegs, wo sie in der einstigen Hochburg der jiddischen Kultur herausfinden wollen, was nach der Shoah und der Gründung Israels davon geblieben ist. Vollgepackt mit musikalischen Darbietungen ist der semi-dokumentarische Film „The Klezmer Project“ eine Spurensuche und poetische Auseinandersetzung mit kultureller Identität, Veränderung, modernem Judentum und der Macht der Sprache und Musik. Bestes Debüt der Berlinale 2023. (sg) ●●●●○
Home Sweet Home: Wo das Böse wohnt
Die schwangere Maria (Nilam Farooq) ist mit ihrem Mann Viktor (David Kross) in dessen abgelegenen Familiensitz gezogen. Kurz vor der Geburt beginnt es im Haus zu spuken. Maria hört Geräusche und findet im Keller ein Zimmer voller Memorabilien ehemaliger deutscher Kolonien in Afrika. Bald ist klar, dass hier eine Blutschuld beglichen werden soll. Die Idee, sich mit dem Erbe der deutschen Kolonialvergangenheit auseinanderzusetzen, ist löblich. Doch die billige Produktion, das flache Drehbuch und die alt hergebrachten Schockmomente lassen das Ganze eher wie einen Low-Budget-Studentenfilm aussehen. Da hilft auch nicht das Verkaufsargument, dass der ganze Film in einer einzigen Einstellung gedreht wurde. (sg) ●●○○○
Das Erwachen der Jägerin
Helena (Daisy Ridley) wuchs glücklich mit ihrem Vater, ihrem Helden, Jacob Holbrook (Ben Mendelsohn) und ihrer Mutter in den Sümpfen Michigans auf. Als ihre Mutter die Chance nutzt, mit ihr zu fliehen, muss Helena erkennen, dass ihr Vater nicht der ist, der sie glaubte. Nicht nur, dass er einst ihre Mutter entführte. Die Liebe, die sie erfuhr, war Kontrolle und Besitzanspruch. Jahre später bricht Jacob aus dem Gefängnis aus. Um sich und ihre eigene Familie zu schützen, muss Helena sich ihm und ihrem Trauma in den Sümpfen stellen. Die Geschichte der Ermächtigung einer Frau mag zwar ihre Momente haben, bleibt aber zu steril und unaufgeregt, um wirklich begeistern zu können. (sg) ●●●○○
Persona Non Grata
Antonin Svoboda erzählt die #MeToo-Story der Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg, die Missbrauch im Österreichischen Skiverband 2017 aufdeckte, in fiktionalisierter Form. Neben diesen biografisch angelehnten Details und der Erzählung der strukturellen Probleme funktioniert „Persona Non Grata“ aber auch als empathisches Familiendrama, in dem die Tochter (großartig Maya Unger) mit ihrer Mutter eine Zeitenwende einläutet. Antonin Svoboda hat – nahe an seiner Protagonistin – ein starkes, kämpferisches Heldinnenepos inszeniert, das die Schwierigkeiten im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen vielschichtig ausleuchtet. Gerti Drassl in der Titelrolle verkörpert die inneren Konflikte mitsamt Scham- und Schuldgefühlen sowie den späteren Befreiungsschlag bravourös. Dringende Empfehlung. (js) ●●●●○