Spurlos verschwundene Wissenschaftler. Signale aus dem Jenseits. Mürrische Cops, die an ihrem Aberglauben festhalten. Würden hier David Duchovny und Gillian Anderson als Mulder und Scully aus „Akte X“ durchs Bild huschen, man wäre nicht verwundert. In seinem vierten Ableger spielt sich „True Detective“ mehr denn je mit übernatürlichen Elementen, der menschlichen Urangst vor dem Paranormalen. Und das bei einer Serie, die in ihren hochgradig philosophischen Anfangsjahren noch auf irrealen „Geisterquatsch“ verzichtete. Obgleich immer schon ein Hang zu Lovecraft’schem Horror vorhanden war.
Für die phänomenale Auftaktstaffel mit Matthew McConaughey und Woody Harrelson war „True Detective“ 2014 sofort zum neuen Höhepunkt des goldenen Serienzeitalters erklärt worden. Dem Ego von Schöpfer Nic Pizzolatto taten die Lobpreisungen keinen Gefallen, dem Ruf seines Prestigeprojekts konnte er in den Folgejahren nie wieder gerecht werden. Man verwandelte die Serie in eine Anthologie – staffelweise wurden die Ermittlerduos und die zu lösenden Mordfälle ausgetauscht. So sehr man aber mit großen Namen wie Colin Farrell oder Mahershala Ali lockte, nie war das Mysterium wieder so packend, nie die Charaktere wieder so spannend, abgründig wie am Anfang. Wie „Night Country“, der extravagante Zusatztitel der vierten Staffel, schon verrät, hat man die gewohnten Pfade nun aber endlich verlassen.
Das Setting wurde ganz in den Norden verfrachtet, ins verschneite, zapperdustere Alaska. Nic Pizzolatto hat das Zepter an Issa López weitergegeben, die bei allen sechs der neuen Episoden für Buch und Regie verantwortlich zeichnet. Auch vor der Kamera regieren die Frauen: mit Jodie Foster und der indigenen Kali Reis hat man sich ein ungleiches Gespann geschnappt, das sich inmitten der Eishölle gemeinsam auf Spurensuche nach vermissten Forschern begibt. Auf der einen Seite die gewohnt großartige Foster als gefühlskalte Polizeichefin der alten Schule. Ihr gegenübergestellt: Die nicht minder beeindruckende Reis als durchtätowierte und -gepiercte Idealistin vom Dienst.
Wie immer kommt es zur Kollision zweier Weltanschauungen. Ansonsten wagt „True Detective: Night Country“ viel Neues – und tut damit dem eigenen Erbe einen Gefallen. Schon die Auftaktfolge weckt große Neugier auf ein Mysterium, das ungreifbarer, ja förmlich gespenstischer erscheint, als alles bisher dagewesene. Atmosphärisch dichter „Slow Burn“ trifft auf einen Hauch Übernatürlichkeit – inspiriert von echten Mythen der Native Americans. Was genau sich hinter den rätselhaften Schnee- und Nebelschwaden verbirgt, wird man in den nächsten Wochen herausfinden dürfen. Derweil steht fest: So vielversprechend war diese Serie schon lange nicht mehr.
True Detective ist auf Sky zu sehen.
Bewertung: ●●●●○ (4/5)
Christian Pogatetz