Das Kino ist eine Mythenmaschine. Doch es kann seine Heldenfiguren auch wunderbar brechen. Pop-Arthouse-Meisterin Sofia Coppola wagt sich in „Priscilla“ jedoch an eine noch schwierigere Aufgabe: Sie versucht, die Überfigur Elvis Presley ganz sanft zu brechen – und damit den ersten und vielleicht größten Popstar aller Zeiten als Mensch kritisch zu hinterfragen. Dabei spielt sie über die Bande und erzählt von Priscilla Beaulieu Presley. „Priscilla“ ist ihr Film, ihre Geschichte. Sie orientiert sich ganz an ihren Memoiren „Elvis and Me“ und hat zudem den großen Vorteil, dass die Vorlage noch lebt. Das erfordert einiges an Rücksicht, überraschenderweise aber eher in Bezug auf Elvis und seine Erben als auf Priscilla.

Der Film beginnt mit einer Zeit, in der auch Sofia Coppolas Filmkarriere begonnen hat: im Teenageralter. Dieses hat sie in ihrem Debüt „The Virgin Suicides“ so eindrucksvoll porträtiert. Aus heutiger Sicht unheimlich: Das Kennenlernen vom 24-jährigen Superstar Elvis (Jacob Elordi) und seiner späteren Frau findet statt, als sie erst 14 ist. Für die introvertierte Priscilla ist es eine Szene wie aus einem Traum. Plötzlich sitzt sie mit Elvis in einem Schlafzimmer. Für Regisseurin Sofia Coppola ist es eine Gratwanderung zwischen Pop-Romantik und einem kritischen Blick auf die Verführung einer Minderjährigen. Dieses Thema durchzieht den Film, dominiert ihn als Spielfilmgeschichte aber nicht völlig. Auch später erweist sich der King als toxischer Mann, was nicht nur den konservativen 1960er-Jahren und seiner Drogensucht geschuldet ist. Er sperrt seine Ehefrau wie eine unbefleckte Trophäe in seinem Königspalast Graceland ein, während er sich den erwachsenen Frauen woanders nähert. 

Eine Botschaft von „Priscilla“ ist, dass im Umfeld einer solchen Berühmtheit kein gesundes Leben möglich ist, schon gar kein Erwachsenwerden. Sofia Coppola, selbst Spross einer prominenten Familie, hat ein wunderbares Gespür dafür, ebenso wie für die Ära mit ihren Farben und ihrer Musik. Die ist nämlich nicht primär von Elvis, sondern von ihrem Ehemann Thomas Mars und seiner Band Phoenix ausgewählt, sowie von Sons of Raphael neu komponiert.

Mit „Priscilla“ legt Coppola die Rückseite einer Medaille vor, die Baz Luhrmanns überbordendes Biopic „Elvis“ vergangenes Jahr schon ins Kino brachte. Mit Cailee Spaeny hat sie eine ebenso verletzliche wie starke Hauptdarstellerin gefunden, die die Perspektive des Films trägt. Die besonnene Zurückhaltung der Geschichte ist paradoxerweise zugleich ihre Schwäche und größte Stärke. Elvis has left the building.