Im Oktober hat der Verfassungsgerichtshof einen Teil des ORF-Gesetzes aufgehoben und eine Frist zur Reparatur bis März 2025 gestellt. Die Bestellung der Gremien des ORF (Stiftungsrat und Publikumsrat) wurde teils als unzulässig erkannt und muss neu geregelt werden. Eigentlich war man davon ausgegangen, dass die Regierung das Gesetz möglichst schnell neu gestalten wird, damit es noch in dieser Legislaturperiode und somit vor der möglicherweise richtungsentscheidenden Nationalratswahl 2024 in Kraft treten kann. Damit hätte die Regierung noch Fakten schaffen können.
Doch das könnte in maßgeblichen Teilen der ÖVP keine Priorität mehr sein, wie ein Rundruf der Kleinen Zeitung unter mit der Sache vertrauten ÖVP-Politikern vermuten lässt. „Der Meinungsbildungsprozess in der Partei ist noch nicht abgeschlossen. Aber es gibt immer mehr Stimmen, die meinen, dass man das durchaus auch der nächsten Regierung überlassen kann“, heißt es in gemeinhin gut informierten Kreisen. Zumal man in der Partei davon ausgeht, dass eine möglicherweise FPÖ-geführte neue Bundesregierung 2025 ohnehin eine große ORF-Reform in Angriff nehmen wird. „Warum soll man da vorher noch Kleinigkeiten ändern?“, heißt es, zumal ja die letzte große Änderung (samt Einführung der umstrittenen Haushaltsabgabe) erst in diesen Tagen in Kraft tritt. Eine Änderung bedürfte auch einer gemeinsamen Linie mit dem Koalitionspartner – zuletzt ein rares Gut.
Bloß informelle Kontakte
Auch bei den Grünen will man sich zum jetzigen Zeitpunkt mit öffentlichen Aussagen zurückhalten. Allerdings bestätigt man auf Anfrage, dass es derzeit weder konkrete Verhandlungen mit der ÖVP, ja noch nicht einmal einen Zeitplan für solche gibt. Das ist erstaunlich, da das Gesetz ja vor dem Sommer beschlossen werden müsste, wenn es rechtzeitig fertig werden soll. Lediglich informelle Kontakte soll es geben.
Das passt zur bremsenden Linie der ÖVP, deren Generalsekretär Christian Stocker bereits öffentlich betont hat, dass er in Sachen ORF momentan keinen Zeitdruck sieht. Ein informelles Angebot der SPÖ, ein neues ORF-Gesetz mit ihren Stimmen in den Verfassungsrang zu heben und damit den ORF gewissermaßen prophylaktisch gegen eine FPÖ-Regierung abzusichern, ist bisher ebenso verhallt. In der ÖVP sieht man so ein Ansinnen eher als Versuch der SPÖ, die eigenen Wünsche in mögliche Verhandlungen einzubringen.
Im zuständigen Ministerium sieht ein Sprecher von Ministerin Susanne Raab die Sache ebenso gelassen: „Laut VfGH besteht im Einzelnen Regelungsbedarf und dafür ist bis Ende März 2025 Zeit. Wir sind deshalb in engem Austausch mit Expertinnen und Experten der Fachabteilung, die derzeit den Regelungsbedarf konkret ausloten.“ Wann es Ergebnisse geben soll, wurde nicht gesagt.
Bernhard Baumgartner