Dieser Film knüpft inhaltlich an den Kinohit des Jahres 2023 – „Barbie“ – an: Auch in „Poor Things“ lernt ein Frauengeschöpf, sich zu emanzipieren, und warum das im Patriarchat überhaupt vonnöten ist. Diese Bella Baxter in Giorgos Lanthimos‘ dunkler Frankenstein-Fabel ist aus Sicht des Forschers Godwin „God“ Baxter (fantastisch mit zusammengeflicktem Gesicht: Willem Dafoe) eine Gerettete. Sie ist schwanger und stürzt sich – auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann – in den Tod. God findet ihre Leiche, setzt ihr das Gehirn ihres ungeborenen Kindes ein, belebt sie wieder. In seinem Haus voller Chimären und Magensäure-Seifenblasen erforscht er sie – und ihre Entwicklung. Sie lernt reden, laufen, entdeckt die Welt. Und ihre Sexualität.

Zuerst wird die Sexualität stimuliert, dann der Intellekt

Je erfahrener Bella wird, desto stärker versucht God sie zu kontrollieren. Nicht mit ihr. Sie brennt mit dem windigen Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) durch. Ihre naive, vorurteilsfreie, ungekünstelte und sexuell freizügige Art machen sie zu einer faszinierenden Person für alle anderen; auch jene in der besseren Gesellschaft. Bald will auch Duncan über sie bestimmen. Nach einer Demütigung verlässt sie ihn, fängt als Prostituierte an. Sie wird von den Freiern erniedrigt, ausgebeutet und brutal behandelt. Aber sie kämpft sich durch, setzt auf Frauensolidarität. Auf die Stimulation der Sexualität folgt jene des Intellekts. Bella Baxter studiert. Der griechische Regisseur („The Lobster“, „The Favourite“) liefert mit seinem spektakulären, bildgewaltigen und analog gedrehten Schauermärchen seinen bislang zugänglichsten Film ab.

Widerspenstige Emanzipationsgeschichten und subversive Geschichten, die die Männerwelt aus den Angeln heben, liegen im Trend und finden ihr Publikum. Nach dem Goldenen Löwen in Venedig empfiehlt sich diese radikal-feministische und klug erzählte Heldinnengeschichte für alle Preise in dieser Awardsaison; insbesondere für einen Oscar. Auch für die furiose, göttliche Performance von Emma Stone als Frankensteins Mädchen und schlussendlich als Powerbraut, die sich sehr wohl traut.

Austro-Lieblinge

Endlich frische Ware von Josef Hader: In „Andrea lässt sich scheiden“ (ab 23. Februar) spielt er einen abgehalfterten Lehrer an der Seite von Birgit Minichmayr. Die verkörpert in „Mit einem Tiger schlafen“ die Kärntner Weltkünstlerin Maria Lassnig (April). Ab
8. März: „Des Teufels Bad“ von Veronika Franz und Severin Fiala über Ritualmorde um 1750 – mit u.a. Anja Plaschg. Und bereits am 19. Februar startet „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ von Adrian Goiginger in den Kinos. Darin ist Austropop-Star Voodoo Jürgens in seiner ersten Filmrolle zu sehen.

Mehr Oscarfavoriten

In den Startlöchern scharren: „The Holdovers“ (ab 25. Jänner) erzählt von einem verschrobenen Geschichtslehrer in den 1970ern, der am Campus in den Ferien mit einem Schüler überbleibt – u.a. mit Paul Giamatti. Und Jonathan Glazers in Cannes uraufgeführtes Auschwitz-Drama „The Zone of Interest“ (ab 29. Februar) skizziert die banale Schönheit des Grauens u.a. mit Sandra Hüller und Christian Friedel.

Viele Comebacks

Auch im Kinojahr 2024 wird fortgesetzt, ausgepresst und weitergemacht: 36 Jahre nach dem Hit bringt Tim Burton „Beetlejuice 2“ im September mit Michael Keaton und Winona Ryder in die Kinos. 23 Jahre später entert „Gladiator 2“ im November die Leinwände mit Paul Mescal in der Titelrolle. Und einer der Lieblingsbösewichte des Jahrtausends kehrt Anfang Oktober in seiner Oscarrolle zurück: Joaquin Phoenix in „Joker: Folie à Deux“ – mit Lady Gaga. Da kommt Wiedersehensfreude auf!