Wir schreiben das Jahr 1988. Es war die Zeit von Starschnitt-Postern in Jugendzimmern, Dauerwelle, Disco und dem Musiksender MTV. Und dann tauchte plötzlich wie aus dem Nichts das Discopop-Duo Milli Vanilli auf. Fab Morvan und Rob Pilatus muteten, inmitten der deutschen Provinz, wie zwei Weltstars wie von einem anderen Stern an. Sie tanzten, sie performten, sie strahlten mit ihren getunten Körpern und ihren Rastazöpfen in die Kameras. Sie verkauften eine Musik, die nicht von ihnen stammte. In den USA startete ihr erstes Album unter dem Titel „Girl You Know It’s True“ durch und landete sieben Wochen auf Platz 1 der Billboard-Charts. Das schaffte davor in Deutschland niemand.
So berühmt sie zunächst waren, so blamiert waren sie zwei Jahre später: Bei einem Auftritt der frisch gebackenen Grammy-Gewinner blieb das Play-back-Band stehen. Die ganze Welt wusste: Uih, die beiden können gar nicht singen, bewegen bloß ihre Lippen zu einer Tonspur. „Fake! Skandal!“ Ausgerechnet bei „Wetten, dass..?“ beichtete Frank Farian vom Betrug. Fans waren enttäuscht, Preise wurden aberkannt, die Plattenfirma strich Milli Vanilli aus ihrem Repertoire. Schimpf und Schande ergoss sich über die beiden jungen Männer, die so gerne Stars sein wollten. Ihr Ruhm endete abrupt – mitsamt Partys, Geld, Drogen und Groupies. Rob Pilatus überlebte das nicht, er starb 1998 an einer Überdosis.
Der deutsche Filmemacher Simon Verhoeven („Nightlife“) packt das Schicksal des Münchner Duos nach eigenem Drehbuch in eine packende, zuweilen bittere Komödie mit Tiefgang. Mehr noch: Der Sohn von Senta Berger und Michael Verhoeven gibt den beiden ihre Würde zurück. Er erzählt von kreierten Stars, die zu Sündenböcken wurden, während das Management und das Label unbehelligt davonkamen. Das Ergebnis ist trotz erhöhter Ohrwurm-Bedrohung sehenswert: als reflektierte Erzählung über Retortenbands, die heute niemanden mehr aufregen. Als Abrechnung mit Frank Farian (sein Spiel wirkt dank seltsamer Perücke äußerst leblos) und vor allem als köstlicher Ritt durch eine popkulturelle Ära mit spektakulären Outfits und Moves.
Beeindruckende Schauspieler
Verhoeven ist ein präziser Beobachter, der auch eine deutsche Einwanderungsgeschichte erzählt – jene von Rob Pilatus (Tijan Njie). Er wurde in der stockbiederen Vorstadt von einem liberalen Paar adoptiert. Wie sehr es um deren Weltoffenheit bestellt war, davon zeugen befremdliche Szenen mit afrikanischen Masken. Robs Begegnung mit Fab (Elan Ben Ali) – dem einzigen anderen schwarzen Jugendlichen weit und breit – legt den Grundstein für mehr Farbe in der Münchner Klubszene. Beide Darsteller beeindrucken mit ihrer Präsenz.