Die Politik: ein trauriger Zirkus, „und wir alle sind Narren“. Der Satz fällt in der ersten Szene, Nicholas Ofczarek äußert ihn in der Rolle des Revolutionärs Georges Danton, und er steht dabei auf einer Bühne, die halb Manege, halb Gerichtssaal ist, im schiefen Anzug und mit schwarzweißer Schminke im Gesicht. Um ihn herum tummeln sich lauter Clowns wie er. Es handelt sich um die Figuren aus Georg Büchners Revolutionsdrama „Dantons Tod“ (1835, uraufgeführt 1902), etliche von ihnen werden alsbald unter der Guillotine enden.
Johan Simons hat das Stück am Wiener Burgtheater inszeniert, erst vor neun Jahren war es hier zu sehen, damals inszeniert von Jan Bosse, der die Revolution als gigantisches, grausames Mahlwerk zeigte. Simons‘ Version der Erzählung vom Ende der Französischen Revolution in der Schreckensherrschaft der Jakobiner scheint noch deutlich pessimistischer: Hier scheint es nichts mehr zu geben, um das sich zu kämpfen lohnt. Danton und sein Gegenspieler Robespierre, den wie schon 2014 Michael Maertens darstellt, wirken wie beide vom Töten tödlich ermüdet. Aber während Danton, der einst selbst Massaker geschehen ließ, das Morden im Dienst der Revolution nun in Frage stellt, klammert sich Robespierre ans eigene Sendungsbewusstsein; die Waffe der Republik ist der Schrecken, postuliert er, und aller Despotismus dient der Tugend: „Bestrafung ist Gnade, Verzeihen Barbarei“, so lässt er es seine Anhänger, prägnant von Ole Lagerpusch verkörpert, weitertragen.
Tugendton der Populisten
Dass Maertens‘ Tugendbold im larmoyanten Daueranklageton heutiger Populisten dahersäuselt, sorgt für einiges Frösteln in dieser allzu temperierten Inszenierung. Das liegt auch an der Rahmensetzung: Den Zirkus als Setting nutzte Simons vor einigen Jahren schon im Akademietheater, auch damals bei Büchner: Im „Woyzeck“ wurde die Manege zum Schauplatz eines grausamen Menschendressurakts.
Hier nun ist die Kollision revolutionärer Ideen zur Politgroteske verzerrt, alles Fortschrittsbemühen lächerlich angesichts einer Menschheit, die nicht lernt. Zwischendurch lässt Simons Bilder von Revolution, Massenhysterie und Mord über den Bühnenhintergrund wirbeln, zwischendurch sprengt Nicholas Ofczarek als Danton die Maske des existenzmüden Utopisten, dem erst sein historischer Auftrag, dann sein Leben zur Last geworden sind. Aber selbst diesem großartigen Schauspieler fällt es schwer, über seine aufgemalte Todesfratze hinwegzuspielen. Die Masken, in der Antike dazu da, um Gefühlszustände besser zum Ausdruck zu bringen, sie halten hier auf Distanz und verdecken unter Clownsweiß und roten Nasen die Leidenschaft und Verzweiflung, mit der erst um die Revolution, dann ums nackte Leben gerungen wird.
Dass Simons die großen Reden von Büchners Helden stutzt und den Frauenfiguren von Annamária Láng, Marie-Luise Stockinger und Andrea Wenzl Platz gibt, verleiht der Inszenierung doch noch einige Intensität; Schauspielern wie Jan Bülow als St. Just oder Felix Rech, Johannes Zirner und Maximilian Pulst als Dantons todgeweihten Gefährten Camille, Lacroix und Philippeau bleibt allerdings wenig Spielraum. Enstprechend maßvoller Applaus nach knapp zwei Stunden.