Die Schlachtplatte wird vorbereitet, als sich Brünhild und Kriemhild am Kirchtor um den Vortritt streiten: Auftakt eines Konflikts, der ein Gemetzel nach dem anderen nach sich ziehen wird. So erzählt es das Nibelungenlied, die größte deutsche Heldensage. Es ist natürlich eine Männergeschichte, natürlich von den Nazis vereinnahmt.
Man könnte sie aber auch anders erzählen. Österreichs Star-Dramatiker Ferdinand Schmalz hat im Auftrag der Wormser Festspiele das Narrativ umformatiert: „hildensaga. ein königinnendrama“, am Freitag am Wiener Akademietheater in Österreich erstaufgeführt, geht im wie immer bestechend vielschneidigen Schmalz-Sound der Frage nach, was sich an dieser Geschichte ändern würde, wenn sich die beiden von Männern verkauften, vergewaltigten, betrogenen und an den Rand gestellten Königinnen verschwesterten, statt einander zu bekriegen: Ginge so das System patriarchaler Gewalt zu brechen?
Regisseur Jan Bosse kleidet dieses Gedankenexperiment in eine gutgelaunte und von Stéphane Laimé mit Schaumparty und Schlingnetzen fantastisch bebilderte Bühnenerzählung. Bis heute gängige Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen werden spitzbübisch hinterfragt, Julia Windischbauer liefert als selbstbestimmte Eiskönigin Brünhild ihr hinreißendes Burg-Debüt und hat in Katharina Lorenz eine ebenbürtige Kriemhild zur Seite. Rund um sie geigen nebst den drei Nornen (ganz in Neon-Orange und auch sonst recht schrill: Zeynep Buyrac, Lisa Plüss, Nina Siewert) etliche Burg-Kaliber groß auf: Rainer Gahlke sieht als verschlagener Hagen aus wie frisch von der Goth-Rock-Bühne gestiegen, Oliver Nägele gibt als Wotan den gemütlichen Despoten, Nils Strunk als Drachentöter Siegfried einen so sentimentalen wie rücksichtslosen Egoisten. Und Dietmar König, Tim Werths und Gunther Eckes ein burgundisches Fürsten-Trio, das sich seiner Helden-Egos durch hysterisch hypermaskuline Rituale zu vergewissern versucht. Rauschender Applaus nach knapp drei sehr unterhaltsamen Stunden.
Ute Baumhackl