„Es gibt keinen Weg, in Deutschland säkular zu sein. Man ist Jude oder man ist es nicht“, heißt es einmal im Debütroman der 1996 in Berlin geborenen Dana Vowinckel. Mit einem Auszug aus „Gewässer im Ziplock“ gewann sie 2021 den Deutschlandfunk-Preis beim Bachmann-Wettbewerb.
„Wann ist man eine richtige Jüdin?“ fragt sich darin die 15-jährige Margarita, die mit ihrem Vater, einem streng religiösen Kantor, in Berlin lebt. Ihre „Rabenmutter“, eine US-amerikanische, den Glauben nicht praktizierende Jüdin, hatte die beiden früh verlassen. Bei einem Besuch der Tochter bei „der fremden Mutter, die keine war“ in Israel, brechen die Konflikte auf. Wie das geschieht, ist raffiniert gebaut, emotional berührend und sprachlich eine raffinierte Mischung aus Deutsch, internationaler Jugendsprache, Hebräisch und Englisch. Erzählt wird wechselweise aus der Perspektive der Teenager-Tochter und ihres Vaters. Der „hatte begriffen: Seine Tochter war eine Deutsche. Sie verstand die Sprache der Täter so viel besser als er, dass sie sich darin bequem bewegte. Margarita gehörte zu der winzigen übriggebliebenen Schnittmenge von deutschen Juden nach 1945 (...), zu der er sein israelisch-amerikanisches Kind aber nie gezählt hatte“.
Die Identitätssuche ist als road novel quer über die Kontinente angelegt, die Familienaufstellung mit der pubertierenden Tochter reich an amüsant-hitzigen Dialogen. Der Alltag in Israel mit seiner Jugendkultur, dem ständig präsenten Militär und der Geteiltheit des Landes bildet dabei den Hintergrund zum atmosphärischen Porträt einer Gesellschaft, ohne zu polarisieren. Ganz anders als in Deborah Feldmans autobiografischem Buch „Judenfetisch“, das zur Zeit wegen mancher Israel-Aussagen der Autorin (deren Roman „Unorthodox“ als Netflix-Serie verfilmt wurde) vor allem in Deutschland sehr kontroversiell diskutiert wird.
Karin Waldner-Petutschnig