Dass ein schreiendes Kind zur Ikone der weihnachtlichen Populärkultur werden würde, war doch überraschend. 1990 ließ die vielköpfige Familie McCallister auf dem Weg in den Urlaub eines ihrer Kinder zurück. Wie der vergessene Bub in „Kevin – allein zu Haus“ seinen Alltag meistert, wie er zwei vertrottelte Einbrecher düpiert und wie er seine Ängste überwindet, zählt zu den schönsten Weihnachtsgeschichten, die Jahr für Jahr im TV aufs Neue erzählt werden.
Für den Hauptdarsteller Macaulay Culkin währte das Glück nicht besonders lange. Seine Karriere als Filmstar hatte er mit neun Jahren begonnen, an der Seite des legendären Komikers John Candy in „Allein mit Onkel Buck“. Ein Jahr später kam die Rolle als Kevin und dem kometenhaften Aufstieg folgten ein paar weitere Rollen und dann der brutale Crash.
1994, Culkin war gerade 14, kühlten die Ungustln vom Schmähpreis „Goldene Himbeere“ ihr Mütchen am Jugendlichen und zeichneten ihn als „schlechtesten Schauspieler“ aus. In jene Zeit fiel auch der Sorgerechtsstreit seiner Eltern, Culkin kam die Schattenseite des Ruhms. Drogen, Alkohol, Depressionen, scheiternde Beziehungen, die Entfremdung von den Eltern, Entziehungskuren, Comeback-Versuche, Schicksalsschläge. Culkins Familie scheint fast unter einem Fluch zu stehen. Die Halbschwester starb 2000 an einer Überdosis, die Schwester verunglückte 2008. Culkin wird allmählich zu einer Art tragikomischen Witzfigur, die Fotos des aus der Bahn geworfenen Junkies gehen um die Welt und die Sensationsgier stillt ihre Bedürfnisse am tiefen Fall des lieben Bus, der zur Monstrosität wurde. Culkin, mit einem eigentümlichen Humor ausgestattet, trinkt ausgiebig vom Kakao, durch den man ihn zieht. 2018 lässt er „Fans“ abstimmen, welchen zweiten Vornamen er annehmen soll. Die Wahl fällt auf „Macaulay Culkin“, und seither heißt er angeblich tatsächlich Macaulay Macaulay Culkin Culkin.
Culkin ist in die Fußstapfen von anderen getreten, die den frühen Ruhm nicht verkraften konnten. Elizabeth Taylor, früh sexualisierter Kinderstar, flüchtete in immerhin acht Ehen und toxische Beziehungen mit prügelnden Männern. Ein Weltstar zwar, aber vollgepumpt mit Tabletten und Alkohol. Tatum O‘Neal, fast vergessener Kinderstar der 70er, liefert sich bis heute ein Duell mit Vater Ryan darüber, wie glücklich ihre Kindheit war, Drew Barrymore betrank sich schon mit neun Jahren und verbrachte ihre ganze Jugend zwischen Exzess und Entzug. Corey Feldman berichtete nicht nur vom Drogenkonsum, sondern auch vom sexuellen Missbrauch durch ältere „Kollegen“. Sein Kumpel Corey Haim, dem Ähnliches widerfuhr, starb mit 38. Ricky Schroder, Judy Garland, Edward Furlong, die Liste der Problemfälle ist lang. Kinderseelen, die dem Wahnsinn des Business und des Ruhms ausgesetzt werden, sind naturgemäß extrem gefährdet.
Daniel Radcliffe, Nicholas Hoult, Sophie Marceau, Jodie Foster, Kirsten Dunst oder auch die Österreicherin Christine Kaufmann – es gab und gibt auch viele, denen es besser gelang, den Wahnwitz zu verkraften und ihre Karriere als Erwachsene fortzusetzen. Umso schwieriger, als viele als Kind auf einen Rollentypus festgelegt werden. Macaulay Culkins flüchtete wohl auch vor seinem Image. Freitagnacht wurde er in Hollywood mit dem 2765. Stern am „Walk of Fame“ ausgezeichnet. Freunde wie Seth Green und Natasha Lyonne, beide selbst Kinderstars, kamen. Lyonne („Russian Doll“, „Pokerface“) meinte: „Es ist ein Wunder, dass wir das alles überlebt haben.“ Auch Kevins Mutter, Catherine O‘Hara, würdigte Culkin und rührte den heute 43-Jährigen zu Tränen. Sie lobte seinen Hang zum grotesken Humor, wobei Culkin auch eine Kostprobe gab. Er verabschiedete sich mit einem Zitat aus „Allein in New York“ und meinte staubtrocken: „Frohe Weihnachten, ihr Dreckschweine“.