Weihnachten ist die größte Blase von allen und das war sie schon lange bevor das Wort im Diskurs für abgegrenzte Lebenswelten verwendet wurde. Wie von Zauberhand schaltet die Welt Ende November um auf biedermeierliche Heimeligkeit, ist anfällig für Schnee, Klingelingeling aller Art, Glühwein, Lebkuchen und Weihnachtsfilme. Letztere sind eine Blase in der Blase, denn in den Top 10 der beliebtesten Weihnachtsfilme wechselt man nur untereinander die Positionen. Das hat System, keine Frage: bleibt alles beim Alten. Einen Weihnachtsfilm-Klassiker zu generieren, da braucht es offenbar schon mehr, als nur die üblichen Zutaten. Nicht auszuschließen, dass das alles entscheidende Restquäntchen aus der Sektion Feenstaub kommt. Ein echter Klassiker feiert dieser Tage 20. Geburtstag: „Tatsächlich Liebe“, im Original „Love Actually“ (Amazon Prime, RTL+), der in Großbritannien fünf Wochen vor Weihnachten in die Kinos kam. Im Vorweihnachtssetting werden in Episoden die verschiedensten Spielarten der Liebe durchgespielt – eine Hochschaubahn der Gefühle mit Starbesetzung: Hugh Grant, Keira Knightley, Emma Thompson, Liam Neeson und oder auch Colin Firth. Regisseur Richard Curtis hat als Drehbuchautor einige Liebespfeile erfolgreich auf den Weg gebracht: „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder auch „Notting Hill“ – sie gehören zum RomCom-Goldstandard der 1990er-Jahre.
Wenn man „Tatsächlich Liebe“ sagt, muss man auch „Kevin – Allein zu Haus“ (Disney+) sagen, die Nervensäge, die die Großfamilie auf dem Weg in den Weihnachtsurlaub vergessen hat. Aber er arrangiert sie bekanntlich ganz gut mit zwei dilettantischen Einbrechern.
Der „Grinch“ (Amazon Prime, Netflix) kann sich mittlerweile nicht mehr vor Liebe retten und hat es sich in den Top 10 schon gut eingerichtet. Wie auch „Charlie und die Schokoladenfabrik“ (Netflix, Sky), das zwar kein offizieller Weihnachtsfilm ist, der aber aufgrund seiner surrealen Verspieltheit – Tim Burton, wer sonst – zur Weihnachtsstartaufstellung gehört. Am 7. Dezember läuft die Vorgeschichte „Wonka“ mit Timothée Chalamet in der Hauptrolle an.
Schon 50 Jahre alt wird heuer „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, die tschechische Weihnachtsversion von „Aschenputtel“. Dessen Hauptprotagonistin wirkt, im Gegensatz zum Setting, auch heute noch ziemlich aktuell, in dem sie den goscherten Prinzen mit viel Witz in die Schranken weist. Netflix hat vor ein paar Jahren die Begeisterung erkannt, den Film für die Plattform gesichert und 2021 sogar eine Neuauflage produziert. An das Original reicht es natürlich nicht heran – ist wohl der Feenstaub ausgegangen.