Seit 1998 wird der Eiserne Vorhang in der Wiener Staatsoper jährlich wechselnd von renommierten Künstlerinnen und Künstlern gestaltet. Nach Cao Fei im Vorjahr, hat sich die Jury heuer Anselm Kiefer entschieden. Stammgast in den Top Ten des Kunstkompasses und deutscher Künstler von Weltformat. Und doch empfiehlt sich der 78-Jährige mehr noch als andere für diesen „Job“: Kiefer beschäftigt in seinem Werk intensiv mit der NS-Zeit, dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust. Der echte Eiserne Vorhang, der aus Brandschutzgründen den Bühnenraum vom Zuschauerraum trennt, stammt vom Rudolf Eisenmenger (1902-1994) aus den 1950er-Jahren. Das frühere NSDAP-Mitglied Eisenmenger ist umstritten, Adolf Hitler soll zu seinen Fans gezählt haben und auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er mit Aufträgen versorgt und mit dem Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst geehrt. Seit 25 Jahren wird nun das Original mit hochkarätigen Arbeiten verdeckt.  

176 Quadratmeter groß ist die Fläche, die es zu bespielen gilt, für Kiefer eine Art künstlerisches Heimspiel, gilt er doch als Meister des Großformats. Und sonderlich klein ist das inhaltliche Thema auch nicht angedacht: „Solaris“ heißt die Auftragsarbeit, die auf Stanislaw Lems gleichnamigen Science-Fiction-Roman Bezug nimmt. Es ist ein Eintauchen in einen Ozean, der auf einem Tausende Lichtjahre entfernten Exoplaneten ein ganz eigentümliches Leben führt. Kiefers Ozean verbindet beinahe dreidimensional Bühne- mit Zuschauerraum, er tost, das Rauschen ist beinahe hörbar, überdacht von einem abstrakten Himmelsspektakel – ein Bühnenstück für sich. Der dazugehörigen Text „Die eiserne Zeit“ stammt von Christoph Ransmayr, der bei der Vorstellung „dieser Welten verschlingende und wieder ausspeiende Ozean, der in seiner Ungeheuerlichkeit und Allwissenheit die Gesamtheit der menschlichen Möglichkeit nachzuäffen und sich an alles zu erinnern vermag“, nun allabendlich „auf das in dunklen Reihen ein bloßes Singspiel erwartende Publikum zu“.

„Die Liste jener Künstlerinnen und Künstler, die den Eisernen Vorhang bisher bespielt haben, ist eine Bemerkenswerte“, erinnerte Staatsoperndirektor Bogdan Roščić u.a. an John Baldessari, David Hockney oder Maria Lassnig. „Heute kommt ein Künstler hinzu, der in der Kunstwelt der vergangenen 50 Jahre besonders tiefe Spuren gegraben hat“, so Roščić über den 78-jährigen Anselm Kiefer, der auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.