Das Timing war perfekt: Der Nestroy für die beste Bundesländerproduktion der letzten Theatersaison geht an Claudia Bossards Grazer Inszenierung der Oscar-Wilde-Komödie „Bunbury“ – und das nur einen Tag nach der Premiere am Deutschen Theater in Berlin. Dorthin hat die frühere Grazer Intendantin Iris Laufenberg die Inszenierung nämlich exportiert. Bemerkenswert: In ihrer Ära wurde das Haus – nach 2021 und 2022 – nun das dritte Mal in Folge mit dem Preis bedacht.
Auch sonst würdigte der Wiener Theaterpreis, längst Österreichs wichtigste Auszeichnung im Bereich Sprechtheater, diesmal etliche Produktionen aus den Ländern: Als beste Off-Produktion wurde das Stück „Ahnfrauen“ der Rabtaldirndln ausgezeichnet. Sprecherin Bea Dermond bedankte sich bei den Müttern, dem das Performerinnenquartett die Anregung für das Stück verdankt; Regisseurin Nadja Brachvogel nahm mit einem pointierten Dank wohl auch Bezug auf Frauenkarrieren am Theater: „Eigentlich müsste das für mich ein Nachwuchspreis sein. Ich bin 54 und das ist meine vierte Inszenierung.“
Auch der Preis für das beste Stück hat engen Steiermark-Bezug: Autor Thomas Perle gewann mit seinem nun ausgezeichneten Text „karpatenflecken“ 2019 den Retzhofer Dramapreis. Als Teilnehmer des DramaForum von uniT dankte er dessen Leiterin Edith Draxl, die Österreichs erfolgreichste Theater-Schreibwerkstatt betreibt: „Es dauerte, bis ich dich von mir überzeugt hatte.“
Noch viel Zeit, die Jury zu überzeugen, hat der junge Kärntner Oskar Haag. Er komponierte am Wiener Burgtheater die Musik für die Produktion von William Shakespeares „Wie es euch gefällt“ und war damit für den Nestroy als bester Nachwuchs im Bereich Musik, Autor*in, Bühne und Kostüme nominiert. Bei der Preisgala am Sonntag musste er sich aber dem Stück „Grelle Tage“ von Selma Kay Matter geschlagen geben. Dann also vielleicht nächstes Mal.
Für die ehemalige Volkstheater-Chefin Emmy Werner gab es zum Lebenswerk-Preis Hymnisches von Laudator Karl Markovics („Emmy Werner ist ein Lebenswerk.“) und Standing Ovations. Darüber hinaus war die Gala ein persönlicher Triumph für den in Salzburg jüngst nach nur einer Saison als „Jedermann“ unschön geschassten Burgschauspieler Michael Maertens: Er erhielt den Nestroy für seine gefeierte Darstellung des Hofreiter in Schnitzlers „Das weite Land“ - und kommentierte die „Jedermann“.Chose augenzwinkernd: nicht. Angeblich fiel das Mikro aus, als er gerade dazu ansetzte...
Beste Schauspielerin wurde die kleinewüchsige Performerin Saioa Alvarez Ruiz in Florentina Holzingers „Ophelia’s Got Talent“: „Bei dir ist es leicht, gut auszusehen“, bedankte sie sich bei der Theatermacherin. Und: „Ich wünsche mir mehr von den starken, selbstbestimmten Rollen und hoffe, das ist der Anfang“, fügte sie hinzu. Der Publikumspreis ging an Volkstheater-Schauspieler Nick Romeo Reimann: Angesichts eskalierender rechter Politik brauche es „ein Theater, das mit einer Stimme spricht“, forderte er in seiner Dankesrede.