Ein Spektakel zur Eröffnung war zwar angekündigt, der Feuerwehreinsatz mit Blaulicht und Trara aber kein Teil der Show. Ein durchgeschmortes Kabel plus Brandalarm in der Naturkundeabteilung des Universalmuseums Joanneum brachte am Donnerstagabend in der Grazer Neutorgasse die Eröffnung des steirischen herbst zum Stoppen. Oder vielmehr: die von Raed Yassin gestaltete Prozession mit Masken, überlebensgroßer Ballonfigur und Blasmusik, mit der das Festival im Joanneumsviertel einziehen wollte. Dort ist diesmal die Neue Galerie Schauplatz der Großausstellung "Ein Krieg in der Ferne" (siehe Bericht rechts). Nach kurzer Unterbrechung konnte die Performance – Reenactment eines in den 1980ern unternommenen Versuchs, mit den Mitteln der Kunst gegen den libanesischen Bürgerkrieg zu protestieren – glücklich beendet, die Ausstellung eröffnet werden.
Vorangegangen war dem Umzug eine fulminante Eröffnungsrede von herbst-Intendantin Ekaterina Degot auf dem Grazer Hauptplatz: Im Innenstadt-Idyll zwischen Würstelstanddüften und bimmelnden Trams erklärte sie Graz und die Steiermark, in der Selbstbetrachtung stets fern aller Kriege, zum "Hinterland vergangener und aktueller Kriege". An diesem "Ort, der sich einbildet, im Friedenszustand zu sein", höre man Kriege, Kolonialismus und Rassimus "nicht immer toben, aber wir sollten unsere Ohren anstrengen, um diese Geräusche in unserem glücklichen Alltag wahrzunehmen", so Degots Forderung.
Nicht zufällig sprach sie direkt unter der Erzherzog-Johann-Statue auf dem Hauptplatz: Dass man den Habsburger in der Steiermark nach wie vor als mildtätigen Agrar- und Sozialreformer verehrt und dabei ehrgeizigen Politiker und Militär, der er auch war, tunlichst ausklammert, entschlüsselte sie als "sanfte Ablehnung einer seiner Persönlichkeiten zugunsten einer anderen" – nur das Private, Lokale, Häusliche soll da gelten. Vor diesem biedermeierlichen Selbstbild der Steiermark müsse der herbst in der Rolle des "Antibiedermeier" seit jeher den "Versuch der Repolitisierung, der Dekonstruktion des Lokalen, der Infragestellung der Rolle der Hochkultur" unternehmen. Und gerade nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sei politisches Handeln, auch in der Kunst, unumgänglich. Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten: "Sobald man versucht, diesem Krieg einen Sinn zu geben, indem man ihn als Stellvertreterkrieg Russlands mit dem Westen bezeichnet, tappt man in die Falle des putinistischen Denkens." Und sobald man "die Militarisierung oder die Nato-Politik kritisiert, spielt man ihm schon wieder in die Hände".
Ute Baumhackl