Kunstverein < rotor >


Der unlängst verstorbene Architekt und langjährige Grazer Stadtrat Klaus Gartler unternahm Anfang des Jahrhunderts ein hochinteressantes Gedankenexperiment, mit New York und Graz in den Hauptrollen. Gartler projizierte den Plan Manhattans auf jenen der Murmetropole. Siehe da: das Herzstück New Yorks hat locker Platz in den Grazer Stadtgrenzen. Gartler verglich diverse Kenndaten, zeigte etwa auf, dass in Manhattan tagtäglich das Vielfache jener Einpendlerzahl, die Graz an den Kollaps-Rand treibt, durch die Minimalisierung des Individualverkehrs problemlos bewegt wird. Dass auf einem Drittel der Fläche von Graz drei Millionen Menschen miteinander gut auskommen. Etwa in kleinräumig dimensionierten „neighbourhoods“ und „villages“. Vereinfachtes Résumé (Gartler blendet Probleme nicht aus): Graz muss New York werden.


„New Graz“ heißt eine Schau, welche die künstlerischen Untersuchungen von zum Thema „Lebenswerte Stadt“ fortführt. Mit „Erzählungen aus der Ankunftsstadt“ (Untertitel). Erzählt werden sechs spannende, informative und unterhaltsame Geschichten. Etwa jene Jun Yangs über die Chinesen von Graz. Sie ist (wie fast alle Arbeiten des in Wien und Yokohama lebenden Otto-Mauer-Preisträgers) mit eine Untersuchung eigener Identität: „How I grew up with Wiener Schnitzel“.


Um Identität geht es auch bei Severin Hirsch, die Grazer zu Wort kommen lässt, welche der Jugoslawien-Krieg dazu zwang, sich eine neue Heimat zu suchen. Moira Zoitl spannt in Installation und Videos gescheit und witzig den Identitätsbogen von ghanaischen Fruchtbarkeitsriten zum Mutter-Kind-Pass.
Maryam Mohammadi und Joachim Hainzl machen die zahlreichen Probleme, welche Flucht zwangsläufig mit sich bringt, an Statements von Menschen aus Afghanistan hör- und sichtbar. Auf Zeichnungen von Kindern entstehen aufschlussreiche Pläne der Ankunftsstadt Graz. Die sich gleich im ersten Raum als monumentale Wandzeichnung des studios asynchrome (Marleen Leitner und Michael Schitnig) präsentiert. „The Arrival City is (not) a Machine“ lautet der Befund mit Bezug zu Doug Saunders fulminantes Buch über „Die neue Völkerwanderung“.
Das Belgrader Kollektiv (S)kart schließlich hat seinen Beitrag „Ich wünsche mir, noch zu leben, wenn die Weltrevolution kommt“ mit Mitgliedern des Grazer kommunistischen Pensionisten-Zentralverbands gestaltet. Man lernt: Nostalgie kann hochaktuell sein.

Forum Stadtpark


„New Graz“ führt vor, wie durchwegs komplexe Themen eine Form finden, die das Publikum zur Auseinandersetzung einlädt. Etwas, dass sich (zumindest auf dem Papier) auch andere herbst-Ausstellungen wünschen. So die „Auseinandersetzung mit dem Sehnsuchtsort Ouzhou“ im Forum Stadtpark. Was hier rund um den chinesischen Begriff für Europa arrangiert ist, bedarf ausführlicher Erläuterungen, die dem Normalbesucher allerdings vorenthalten werden.

Camera Austria


Bei Camera Austria, wo Fotograf Markus Krottendorfer die hermetische Bilderfolge „At New Moon Tomorrow“ zeigt, besorgt man sich am besten die gelungene Publikation zur Schau und genießt in Ruhe Texte wie Thomas Wissers „Reisetagebuch; Exzerpte“.

Kunstverein


Beatrice Gibsons mehrstündiges Video- und Filmprogramm im Kunstverein würde man gern im Kino sehen. Auf Holzbänken und ohne Untertitel (schon englische wären hilfreich) liegt die Wertung „Zumutung“ nahe. Schade. Aber vielleicht will man unter sich bleiben.