Wie haben Sie die Corona-Situation erlebt?
MARGARETHE MAKOVEC: Eine solch herausfordernde Situation hat in einer gewissen Weise auch etwas Positives. Weil man Arbeitsweisen und Rahmenbedingungen neu betrachtet. Der Lockdown hat den Rhythmus, in dem wir sonst arbeiten, gebrochen. Es war eine Zeit, in der wir unser Tun und Schaffen eingehend reflektieren konnten.

Für die Arbeit des war es ein großer Einschnitt?
MAKOVEC: Wir konnten keine einzige Ausstellung in diesem Jahr so stattfinden lassen wie geplant. Wir wollten im Herbst im Rahmen eines EU-Projekts eine Ausstellung mit Auftragswerken zeigen. Das war sinnlos, weil die Künstlerinnen und Künstler diese Arbeiten unter den Bedingungen nicht produzieren konnten. Wir haben uns gedacht, wenn der Radius der Mobilität extrem eingeschränkt ist wie im Frühjahr, dann schauen wir uns die Situation hier vor Ort genauer an. Wir haben eine weit gefasste Aussendung an Künstlerinnen und Künstler, die hier leben, gemacht. Wir haben uns Studios und Ateliers angeschaut, uns vertieft. Das mündete in die aktuelle Ausstellung „In der Schwebe“. Dieses Erlebnis hat uns ungemein bereichert und war letztlich viel befriedigender, als die Notsituation etwa für einen Umbau oder Ähnliches zu verwenden.

Wie war das Feedback der Kunstschaffenden?
ANTON LEDERER: Es war eine Begeisterung spürbar. Diese Begeisterung spiegelt sich jetzt im Publikum wider. Da ist teilweise eine unglaubliche Freude darüber zu spüren, dass Kultur stattfindet, dass man eine Ausstellung anschauen kann, zu einer kleinen Veranstaltung gehen kann. Wir sind seit einem Vierteljahrhundert hier tätig, so eine Begeisterung für das Kunstschaffen habe ich noch nie erlebt.
MAKOVEC: Es ist interessant zu sehen, wie sehr der Mensch die Auseinandersetzung mit Kunst braucht. Diese Auseinandersetzung hat sicher an Intensität gewonnen. Wir haben auch keinen Rückgang bei den Besuchen, im Gegenteil. Uns war auch extrem wichtig, aktiv zu bleiben, Aufträge zu vergeben, Honorare auszuzahlen. In so einer Situation hat man als Institution eine Verantwortung.

Die Internationalität geriet durch Corona ins Hintertreffen. Genau zu einer Zeit, in der die Internationalisierung des Kunstbetriebs ohnehin auf immer mehr Kritik gestoßen ist. Etwa wegen des ökologischen Aspekts. Wie wird sich das weiterentwickeln?
LEDERER: Da sind sicher einige Dinge falsch gelaufen. Unsere Internationalität ist aber stark von Kontinuität geprägt, von der langfristigen Zusammenarbeit mit einzelnen Kunstszenen und Ländern. Das ergibt ein ungeheures Potenzial, bei Entwicklungen dabei zu sein, etwa auch jungen Kunstschaffenden die Möglichkeit zu geben, erstmals außerhalb ihrer Szene zu arbeiten.
MAKOVEC: Die ökologischen Auswirkungen beschäftigen uns schon seit Jahren. Wenn es irgendwie geht, reisen wir seit Jahren mit der Bahn. Aber der transnationale Austausch bleibt natürlich wichtig. Künstlerinnen müssen reisen: Helene Thümmel hat jetzt für ein Projekt einen Monat in der Ukraine verbracht. Die Langfristigkeit ist entscheidend, um zwischen den Szenen Netze aufzubauen, die stabil sind.

Welche Rolle spielt das Digitale für den Kunstbetrieb künftig?
MAKOVEC: Der digitale Raum bietet in der Kommunikation schon Möglichkeiten, aber er kann die Präsenz von Kunst nicht ersetzen. Video und Film und Games, Online-Diskussionen: Das geht alles gut. Wir sind Wesen, die mit allen Sinnen aufnehmen. Das Digitale bringt auch eine Form der Vereinsamung – man ist bei der Rezeption vor dem Laptop oder am Smartphone allein.
Die Vereinsamung durch Digitalisierung ist ein gesellschaftliches Problemfeld, die Kunstrezeption würde da gewissermaßen eine Form annehmen, die anderswo schon Standard ist.
MAKOVEC: Es birgt sicher eine Gefahr, wenn man jetzt extra Formate fürs Netz findet, weil man dem Ganzen damit nachhechelt. Corona hat mir bewusst gemacht, dass man den realen Raum wieder stärker ins Spiel bringen muss.