Eine Slowenin, ein Italiener, zwei Ungarinnen, zwei Ukrainer, ein Lette und Sie, ein Österreicher: Ihr Oberton String Octet ginge ja fast als Habsburger k. & k. Ensemble durch.

FLORIS FORTIN: Ja, wir machen selber oft Witze darüber. Aber die kulturelle Diversität macht wohl auch unsere Stärke aus. Gefunden haben wir uns im Studium  2015 beim Kammermusik-Spielen an der Kunstuniversität Graz, für das berühmte Mendelssohn-Oktett. Danach sind andere auf unsere ungewöhnliche Formation aufmerksam geworden, und so kamen erste Engagements. Die Besetzung wechselte zunächst einige Male, aber seit eineinhalb Jahren ist sie konstant. Es muss halt musikalisch, aber auch sonst zusammenpassen.

Wie traf der Lockdown im März Sie und Ihre Kollegen?

FLORIS FORTIN: Auch wenn es komisch klingt: Anfangs war es für mich fast befreiend, einmal nichts zu tun zu haben, sich selbst widmen zu können. Aber das hielt natürlich nur kurz an, dann realisierte man, wie einschneidend die Situation ist.  Das gemeinsame Musizieren ging einem rasch ab. Jeder ging unterschiedlich damit um. Ich selbst wollte schon nach einer Woche wieder unbedingt was machen. Ich brauche konkrete Ziele, bin permanent motiviert. Aber dann stand halt einfach alles still…

Und die finanziellen Auswirkungen?

FLORIS FORTIN: Erst ein Ensemblemitglied hat seit Kurzem eine Anstellung. Als Student oder Freischaffender ist man, wenn man nicht zufällig einen Polster hat, auf Verdienstquellen bis hin zum Hochzeitsspielen angewiesen, und die fielen anfangs total weg. Während des Lockdowns waren alle Oktettmitglieder in Graz, erst als die Sicherheitsmaßnahmen lockerer wurden, konnten sie wieder in ihre jeweilige Heimat fahren.

Probten Sie während der Zeit gemeinsam?

FLORIS FORTIN: Nein, erst am 1. Juli wieder. Wir machten aus logistischen Gründen eine Pause. Und Online-Konzerte – ob man sie nun mag oder nicht – hätten vielleicht Medienpräsenz gebracht, aber wir wollten uns auch nicht gratis verkaufen.

Wie war der Neustart nach so langer Zeit? Stotterte der Achtzylinder?

FLORIS FORTIN: Nein, man muss in so einem Fall nur schauen, dass die Drehzahl passt und sich alles wieder gut verzahnt. Vom Spielen her hat nach knapp vier Monaten nicht viel gefehlt, die Leerzeit hat uns nicht geschadet. Sonderbarer war ja fast, sich erst nach so langer Zeit wiederzusehen, wo wir uns doch sonst im Schnitt so rund alle zwei Wochen treffen. Aber dann hatten wir gleich zwei Projekte hintereinander und pickten wieder viel aufeinander.

Nämlich?

FLORIS FORTIN: Ein Auftritt in Gleisdorf beim Steirischen Kammermusikfestival im August - „Acht Jahreszeiten“, A da stellten wir Antonio Vivaldi und Astor Piazzolla gegenüber. Und dann waren wir für eine Tango-CD im Studio. Tangos von Piazzolla im Streichoktett gab’s noch nie; das Album kommt im Frühjahr 2021 heraus.

Ein fixes Oktett ist im Gegensatz zu Duos, Trio, Quartetten eine doch sehr rare Ensembleform. Denkt man da nach, dass so etwas nicht für die Ewigkeit hält?

FLORIS FORTIN: Ja, ein Oktett ist schon etwas sehr Besonders, in Österreich zum Beispiel gibt es kein zweites. Natürlich schwingt der Gedanke mit, dass ein Ensemble in so einer Größe schwierig zusammenzuhalten ist. Dass wegen eines fixen Berufs oder aus privaten, familiären Gründen Mitglieder abhanden kommen könnten. Leben können wir von unserem Oktett  - noch – nicht. Und jeder ist ja auch an anderen Stellen beschäftigt, ich zum Beispiel im recreation-Orchester. Damit die Aufgaben einander nicht in die Quere kommen, proben wir auch nicht regelmäßig, sondern flexibel und projektweise, und das funktioniert sehr gut.

Originalliteratur für Oktett gibt es wohl nicht massenhaft, oder?

FLORIS FORTIN: Berühmt sind die Oktette von Mendelssohn, Schostakowitsch und Enescu, rund 25 bekannte Werke gibt es, die wollen wir uns als Repertoire erarbeiten. Zusätzlich schreibt derjenige, der mit der Idee kommt, dafür brennt oder Zeit hat,  Arrangements. Ich und noch zwei Ensemblemitglieder machen das als Autodidakten und hoffen einfach, dass es von Mal zu Mal besser wird (lacht).  Da ist natürlich auch Scheitern inbegriffen: Wenn es nicht an das Original herankommt, dann wird die Bearbeitung eben vorübergehend schubladisiert.

Sie wollten heuer das Fünf-Jahr-Jubiläum Ihres Oktetts feiern. Was wurde daraus?

FLORIS FORTIN: Wir haben natürlich umdisponieren müssen. Anfang Oktober hätte ein Festkonzert im Florentinersaal stattfinden sollen, 24 Zuschauer wären zuletzt zugelassen gewesen, das hat sich dann von selbst erledigt. Kürzlich haben wir ein kleines Video gedreht, in dem wir die Geschichte des Oberton String Octet auf lustige Weise erzählen. Das stellen wir online, ebenso neue Fotos und ältere Aufnahmen. In der Musikschule Frohnleiten holten wir ein Projekt nach, das im Frühjahr ins Wasser fiel – dort hatten wir acht Tage lang mit den Kindern geprobt, für ein Konzert, das nun zur Hälfte wir allein und zu Hälfte wir mit ihnen gemeinsam bestritten.

Wie läuft es mit Engagements?

FLORIS FORTIN: Anfang November sind wir in Maribor, wo eine unserer Geigerinnen jetzt  arbeitet. Im Dezember stellen wir im Konzerthaus Wien unsere CD „Slavic Soul“ vor, es gibt eine weitere Einladung zum Steirischen Kammermusikfestival, und im Sommer spielen wir bei den Festwochen Gmunden.

Was sind Ihre weiteren Ziele?

FLORIS FORTIN: Fünf Jahre gemeinsames Musizieren, das ist schon jetzt was Tolles, denn Ensembles, die sich an Universitäten finden, überleben in der Regel nur so drei Jahre. Wir hoffen jedenfalls, das Oktett längerfristig weiterführen und uns weiterentwickeln zu können, denken dabei aber nicht viel weiter als ein, zwei Jahresschritte voraus. Es braucht natürlich gerade für ein Oktett eine gute künstlerische und organisatorische Planung, die hauptsächlich bei Geiger  Jevgēnijs Čepoveckis und mir liegt. Es hätte wenig Sinn, das demokratisch auf alle Acht aufzuteilen, weil der eine dieses und der andere jenes besser kann. Wir haben alle ähnliche künstlerische Ziele, das ist das Wichtigste, und Ensemblearbeit ist immer ein Geben und Nehmen.

CD-TIPP: Oberton String Octet. Slavic Soul. Ars Produktion.
CD-TIPP: Oberton String Octet. Slavic Soul. Ars Produktion. © KK