Die Camera Austria hat 2020 ihren 40. Geburtstag. Wie wirkt sich da Corona auf die Feierlichkeiten aus?

Reinhard Braun: Große Partys sind ja zur Zeit nicht möglich, das Jubiläum wird wohl eher etwas unscheinbar über die Bühne gehen.

Und die geplanten künstlerische Projekte, hat man diese in anderer Form erhalten können?

Wir haben alles um drei Monate verschoben – das war zum Glück möglich. Zur Zeit herrscht natürlich noch eine Unsicherheit, was in der Zeit bis Weihnachten möglich ist. Im Oktober verlagern sich die Veranstaltungen wieder in Innenräume, und es bleibt halt ungewiss, welche Formate für wieviele Besucher möglich sind.

Das nächste Projekt ist eine Aktion fürs Kulturjahr Graz 2020. Ein Stadtteilprojekt, wo die Institution Camera Austria sich nach Eggenberg verlagert und andererseits ihre Räumlichkeiten beim Kunsthaus Graz als Raum für die Stadtbewohner öffnet. Solch partizipativen Projekte sind ja derzeit noch schwerer zu realisieren.

Die Vorbereitungen sind hervorragend gelaufen, es ist gut angekommen, dass wir als innenstädtische Kulturinstitution uns mit Initiativen und Einrichtungen an der Peripherie – das geht von Notschlafstellen bis zur Naturwerkstatt – auseinandersetzen wollten. Alle sind noch immer sehr motiviert. Wir versuchen mit dem Projekt eine Aufmerksamkeit für Fragen der Stadtentwicklung und auch für diese Einrichtungen zu wecken. Partizipative Projekte brauchen in der Umsetzung eine Intimität, ein Vertrauen, um zu gelingen. Dieses permanente Distancing hat ja nicht nur einen räumlichen, sondern auch einen psychologischen Faktor. Das macht es schon schwieriger, eine Dynamik zu erreichen.

Was hat Sie eigentlich zu dem Projekt bewogen?

Wir wollten unsere Rolle als Institution in der Stadt überdenken. Für wen macht man Programm? Wo engagiert man sich? Was sind die Öffentlichkeiten in einer Stadt? Arbeitet man für einen speziellen Ort oder richtet man sich an einen internationalen Städtetourismus? Wir stellen ja den Ausstellungsraum der Öffentlichkeit zur Verfügung. Man kann hier seine Jause einnehmen, sich ausrasten, usw. All das, was man in Galerie-Räumen normalerweise nicht tut. Das ist ein Experiment, wir wissen nicht, wie es ausgeht.

Das heißt man denkt auch über Programmatiken nach?

Nicht nur über Programme, sondern etwa auch über die Art und Weise, wie man Dinge präsentiert.

Wie wird sich Corona auf die nächsten Monate auswirken?

Der Knackpunkt ist, mit welchem Budgets wir arbeiten können. Es ist noch nicht absehbar, wie das Jahr finanziell ausgeht. Wir haben bei der Zeitschrift einen starken Rückgang bei Inserateneinnahmen. Natürlich gab es auch Abo-Kündigungen. Die ökonomische Situation vieler unserer Abobezieher ist nicht besser geworden, das merken wir schon. Im März gehen die neuen Abo-Rechnungen hinaus, dann werden wir sehen, wie stark wir betroffen sind.

Das heißt, Sie müssen sparen?

Wir planen 2021 mit einem Sparprogramm, um im schlechtesten Fall nicht völlig ins Minus zu rutschen. Wir erfüllen nicht die Bedingungen für den Härtefallfonds, weil wir nicht 50 Prozent Einnahmenrückgang haben, aber uns könnten vielleicht 30.000 Euro fehlen. Das ist für uns viel Geld, wo wir de facto nicht wüssten, wo wir das hernehmen sollten.

Wie viele Abos haben Sie?

Etwa 1000 bis 1200. Unsere Kunden und Inserenten sind oft Institutionen, die von Corona hart getroffen sind.

Die Hilfe der öffentlichen Hand besteht im Grunde darin, dass die Förderungen schnell fortgeschrieben worden sind?

Ja, die Kulturabteilung des Landes Steiermark hat da sehr rasch reagiert. Und sie haben die Summen für 2021 valorisiert um drei Prozent. Beim Bund wissen wir immer noch nicht, woran wir sind.

Wie wird sich Corona auf die Kunstwelt auswirken?
Die großen internationalen Museen werden da schon durchtauchen. Gefährdet ist eher die Diversität, die kleine und mittlere Institutionen gewährleisten. Was in der Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen wird, ist, wie viele Autoren von Schreibaufträgen abhängig sind. Es sind ja schon Zeitschriften eingestellt worden, es gibt immer weniger Arbeitsmöglichkeiten. Die Auswirkungen wird man erst 2021 erkennen.

Eine Abwärtsspirale.

Es hat in den letzten Jahren einen eigentlich begrüßenswerten Wandel hin zu einer Direktförderung von Künstlern gegeben. Die Kehrseite der Medaille ist, dass damit eine Art Institutionsbashing einhergegangen ist. Als wären wir bürokratische Apparate, die das Geld in schwarzen Löchern verschwinden lassen., als würde das Geld nicht ankommen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Desto weniger Geld wir haben, desto weniger Projekte mit Künstlern können wir realisieren. Wir sind ein Umverteilungsmechnismus.

Das heißt es werden bestehende strukturelle Probleme noch einmal verschärft?
Die Kluft zwischen kleinen und größeren Kulturinstitutionen wird auch in Graz immer größer. Wir haben seit zehn Jahren die gleiche Fördersumme.

Wird Corona die Kunst inhaltlich verändern?

Die Verteilung der Krankheit in der Bevölkerung entspricht sozialen Kurven. Die neoliberale Aufspaltung in: reich - dann lange nicht - und dann der Rest, ist im Kunstbereich ja auch gültig. Die prekären Arbeitsmodelle, die von Selbstausbeutung und eigener Infrastruktur abhängen, die sind während Corona stark in den Vordergrund gerückt. Der Privatraum ist zu einer öffentlichen Einrichtung geworden. Die ganzen Selbstständigkeitsphantasien werden von der Kunst jetzt wohl wieder kritisch in den Blick genommen werden. Der Kunstbereich ist ja enorm betroffen, so viele prekäre Arbeitsmodelle wie es hier gibt. Außerdem haben sich die Lippenbekenntnisse zur Wichtigkeit der Kultur jetzt selbst enttarnt. Der Baumarkt kommt weit, weit vor jedem Museum.

camera-austria.at