Wer eine Institution der freien Kulturszene an die nächste Generation übergeben will, muss diverse Fallstricke umgehen. Der richtige Zeitpunkt will gewählt und die geeigneten Nachfolger gefunden werden, um die Nachhaltigkeit von Kulturarbeit zu gewährleisten. Sonst verkümmert, was oft über Jahrzehnte und unter persönlicher Entbehrung aufgebaut wurde.
„Das hat schon auch wehgetan“, erzählt NataschaGrasser von der Herausforderung eines Übergabeprozesses. Im Frühjahr übernahmen sie und Caroline Pucher das Grazer Mezzanin Theater von den Gründerinnen Martina Kolbinger-Reiner und HanniWestphal. „Am Anfang stand die Frage nach der Perspektive. Wir sagten: Lass uns offen reden, wie geht es weiter?“, erinnert sich Grasser, und Pucher ergänzt: „Nur durch die Zukunftsperspektiven haben sie uns halten können.“
"Vorwärtsscheitern war möglich"
Als vorteilhaft erwiesen sich flache Hierarchien, eine starke Vertrauensbasis und die kooperative Grundausrichtung: „Wir haben uns immer als Kollektiv verstanden.“ Früh erhielten sie von der langjährigen Leitung die Möglichkeit, als „die Jungen“ Verantwortung zu übernehmen: Vorwärtsscheitern war möglich, betont Grasser eine weitere Entwicklungsbedingung. Mit der bisherigen Führung seien dann alle denkbaren Optionen auf den Tisch gelegt worden, auch jene, das Mezzanin zu verabschieden. Der Übergabeprozess, der auch von einer externen Supervision begleitet wurde, hatte mehrere Phasen: von den ersten Gesprächen über die Angst des Loslassens bis zum Förderansuchen, wo zum ersten Mal nur die Namen der neuen Leiterinnen aufschienen: „Da stand es dann schwarz auf weiß.“
Das Jahr der Staffelübergabe ist 2023 auch bei der regionalen Kulturgröße Kürbis Wies, wo WolfgangPollanz mit pumpkin records seit knapp 25 Jahren ein weithin ausstrahlendes Indie-Label betreibt. Ab 2024 wird es von Nachfolger Gabriel Schmidt weiterentwickelt. „Man muss die Jungen irgendwann machen lassen“, sagt Pollanz, der feststellen musste, dass ein Übergabeprozess von langsamer Natur ist: „Als ich 60 war, habe ich gedacht, ich mache das nicht mehr lange. Jetzt werde ich nächstes Jahr 70, jetzt passt es.“
Wichtig seien ihm Verlässlichkeit, geografische Nähe und ein umfassender Kunst- und Kulturbegriff gewesen. In Schmidt fand Pollanz diese Anforderungen verwirklicht. Erhalten bleibt Pollanz unter anderem mit dem hauseigenen Verlag, der Edition Kürbis.
Heidrun Primas hatte das Forum Stadtpark 2010 übernommen, damals war die ehrwürdige Institution in einem schlechten Zustand, wie sie bei einer Diskussion der IG Kultur erzählte. Sogar die Legitimitätsfrage stellte sich: „Ist es nicht legitim, dass Initiativen oder Vereine auch aufhören? Das ist eine Diskussion, die wir bei der Kulturstrategie 2030 intensiv diskutieren.“ Diese entwickelt sie gemeinsam mit Werner Schrempf für das Land Steiermark. Davor hatte sie die Forum-Stadtpark-Führung an Robin Klengel, Miriam Schmid und Markus Gönitzer abgegeben. Für Primas war damals klar: „Ich werde mich sicher nicht einmischen.“ Und zugleich: „Ich werde sicher da sein, wenn ich gebraucht werde.“