Meine Kunst zu leben ist: Den Kopf in den Wolken, die Füße fest auf der Erde“, sagt Bergsteigerlegende Reinhold Messner. Diese Kunst streben wohl auch viele Künstlerinnen und Künstler, Veranstalter und Veranstalterinnen an – also zu träumen vom Möglichen und dennoch wach zu bleiben für die harte Wirklichkeit.
Das zu schaffen, ist nirgendwo leicht, aber auf dem Land noch einmal schwerer als in der Stadt. Die Balance verrutscht aus vielerlei Gründen: schwächere Förderungen, weniger potenzielles Publikum, praktisch keine Institutionen, nur autonome Szenen, kaum echte, geschweige denn gerecht bezahlte Arbeitsplätze etc.
Wie berichtet, erhält die Steiermark neue kulturpolitische Leitlinien. Für die „Kulturstrategie 2030“ will man ab dem Frühjahr dazu in acht partizipativen Regionalkonferenzen entschlüsseln, was das Land für seine kulturelle Zukunft braucht, bis zum Herbst sollen Schwerpunkte und Entwicklungspotenziale definiert werden. Regionale Kulturarbeit ist dabei ein wichtiger Teil.
Die IG Kultur Steiermark beschäftigt sich schon seit 2019 intensiv mit diesem Thema. Sie ist Interessenvertretung und Anlaufstelle für derzeit 146 Kunst- und Kulturinitiativen und Vereine in Stadt und Land, die sich vor allem für die Absicherung und Verbesserung der Rahmenbedingungen für autonome Kulturarbeit einsetzt. Zum Selbstverständnis des Vereins mit seinem gesellschaftspolitischen Gestaltungswillen zählt aber immer auch die Anregung zum Diskurs.
Für die kürzlich herausgebrachte Broschüre „Kulturarbeit in den steirischen Regionen“ hat man viele Gespräche mit federführend Beteiligten geführt und darin auch grundlegende praktische Tipps parat. „Einerseits wollten wir zeigen, warum Kulturarbeit in den Regionen eine wichtige Rolle für die gesamte Regionalentwicklung spielt, andererseits wollten wir klarmachen, dass die Kulturakteurinnen und -akteure dazu entsprechende Rahmenbedingungen vonseiten der Kulturpolitik brauchen“, sagt Lidija Krienzer-Radojević.
Die Kulturanthropologin, seit 2018 Geschäftsführerin der IG Kultur Steiermark, verweist im Vorwort der Broschüre darauf, wie sehr die von Profis und Laien verantworteten Kulturprogramme eine Region in ihrer Identität und Wertigkeit stärken können, dass das Engagement zumeist von ehrenamtlich tätigen Einzelpersonen herrühre, die strukturelle Förderung allerdings fehle. „Um regionale Qualitäten und Besonderheiten aufzuspüren, sollten einerseits bereits aktive Kulturarbeiterinnen und -arbeiter sowie bestehende regionale Zentren und kulturelle Nahversorger bestmöglich unterstützt werden, andererseits aber auch Neugründungen angeregt und forciert werden“, wünscht sich Krienzer-Radojević.
Welche Rolle spielen Kunst und Kultur in der Bevölkerung? Diese Frage stellte die IG Kultur ihren Mitgliedern, nachzulesen in Auszügen in besagter Broschüre und in voller Länge auf der Homepage. Die Antworten sind vielfältig, kumulieren aber in naheliegenden Begriffen, die fern der Ballungszentren noch mehr Gewicht haben. Kultur bedeute: Diskurs, Integration, Partizipation, Traditionspflege, Wissensvermittlung, Kreativität fern des Alltags, Begegnungsmöglichkeit quer durch die Generationen, kritische Auseinandersetzung mit dem Lebensumfeld und vieles mehr.
„Eine nachhaltige kulturelle Landschaft kann nicht nur durch ehrenamtliches Engagement, Ausbeutung einzelner Personen oder ,Nebenbei-Tätigkeiten’ blühen“, betont etwa Michaela Zingerle aus dem IG-Vorstand. Laut der Gründerin und Leiterin der Styrian Summer Art, die seit 2005 Kunstworkshops und Sommerakademien in Pöllau anbietet, benötige man fair bezahlte Arbeitsplätze, damit sich Bürgerinnen und Bürger aktiv am Kulturleben beteiligen können. „Ehrenamt braucht professionelle Begleitung, wie es uns die Freiwillige Feuerwehr oder das Rote Kreuz vormachen.“
Michael Tschida