Ist es eine halb versunkene oder wieder halb aufgetauchte Bank (Markus Wilfling), die hier im umgegrabenen Garten beim Kreuzgang des Grazer Minoritenklosters liegt? Vielleicht atmet ja gerade hier die Erde ein und wieder aus? Aus dem Heiligen Nepomuk, der unweit unterm Kirschbaum steht, werden wir wohl nichts herausbekommen – wenig verwunderlich, immerhin ist er der Patron der Verschwiegenheit. Sein dazugehöriger Putto mahnt mit strenger Geste zur Ruhe. Einfach einmal zuhören, das ist kein schlechter Ratschlag. Dann kann man ihn auch hören, den Stoßseufzer, der scheinbar dem Gebäudekomplex entfährt.
Atmet hier jemand melancholisch den Weltschmerz aus? Wohl nicht, denn die Installation „Stoßlüften der Seele“ des Wiener Künstlers Daniel Amin Zaman erinnert uns daran, dass ein ausgedehnter Seufzer – physisch wie psychisch – eine erleichternde Atemübung darstellt. Also seufzen Sie jetzt ruhig einmal durch, nach vielen Monaten Corona wäre es mal an der Zeit. Ungefähr genauso lang dauern schon die Umbauarbeiten im Minoritenkloster. Die Ausstellung „Einatmen – Ausatmen“ darf demnach als „Einhauchungsprojekt der Baustelle“ gesehen werden, so Kurator Johannes Rauchenberger, der sich gemeinsam mit Gastkuratorin Katrin Bucher Trantow (Chefkuratorin Kunsthaus Graz) dem Thema „Atmen“ in all seinen Facetten genähert hat.
Das wäre schon zu normalen Zeiten würdiges Thema, doch seit Corona hat sich hier eine brutale Bedeutungsebene hinzugesellt: Das Lebenselixier Atem hat sich gleichzeitig zum Unheilsbringer gewandelt. Dem Thema Corona ist nur ein Abschnitt gewidmet, was Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit gibt, sich die Wunderwelt des Atmens mithilfe der Kunst wieder zurückzuerobern. Da wäre etwa die gebürtige Grazerin Nina Schuiki, die mit „Store“ vermeintlich den Atem des Hauses sichtbar macht. Zarte Vorhänge flattern, durch Ventilatoren im Inneren in Bewegung gebracht, wie von Neuem kündende Fahnen vom Fenster hinaus ins Freie. Sie können aber auch als Symbol für „das Öffnen von Systemen und das Auslüften von Strukturen“, gelesen werden, wie die Künstlerin erklärt.
Ganz anders Marina Abramovic und Ulay, die sich 1977 in „Breathing in –Breathing out“ bis zur Atemnot "beatmen" – eine Abhängigkeitsdarstellung, die einem den Atem raubt. Valie Export hingegen fängt im 1970 entstandenen Video „Hauchtext.Liebesgedicht“ den fluiden, unsichtbaren Atem für wenige Sekunden ein und macht ihn sichtbar. Die emotional ergreifendste Arbeit heißt: „Atemnot“. Kurator Dirck Möllmann hat wenige Tage vor seinem Tod seine Atemzüge aufgenommen – für seine Partnerin Isabella Kohlhuber. Zutiefst traurig und doch hinterlässt sein Atmen eine nur scheinbar simple Erkenntnis von dramatischer Bedeutung: Der Atem ist der Treibstoff des Lebens. Elementar.