Sie proben während des Lockdowns, aber wann können Sie wieder spielen?
MONIKA KLENGEL: Wir spielen ja online, wir bieten als Ersatz fürs echte Theatererlebnis bisher zweierlei an: das Improformat „Serienjunkies“ und die Talkshow „Zu Gast“ mit Pia Hierzegger. Diese beiden Formate eignen sich fürs Netz. Wenn wir Mitte Februar hören, was passieren wird, könnten wir im März vor Publikum spielen. Vielleicht ist es aber gescheiter, bis nach Ostern zu warten.
Wie sind denn die Rückmeldungen bei Ihren digitalen Formaten?
Wir bieten Zoom-Formate an, bei denen man das Publikum auch sieht. Nach einer Folge „Zu Gast“ kann man bleiben und miteinander reden. Das ist ein virtuelles Foyer, das das Publikum sehr schätzt. Da erhält man sich ein wenig von der sozialen Komponente des Theaters. Das genießen wir. Da wird nicht etwas gestreamt und dann ist es weg, sondern es ist der Versuch, den Kontakt zum Publikum zu halten. Bei „Serienjunkies“ haben wir sehr viele Zuschauer aus Deutschland. Da öffnet sich eine Tür zu Leuten, die uns sonst nur von Gastspielen oder von Facebook kennen.
Überlegen Sie, ein solches Format auch in Zukunft digital auszuspielen?
Ja, solche internationalen Sachen eignen sich dazu, das können wir ja auch englisch anbieten. Aber es ist immer als Zusatzangebot gedacht.
Das heißt, Sie arbeiten nicht an einem längerfristigen Wandel der Formate hin zum Digitalen?
Der Künstler Ólafur Elíasson hat gesagt, dass Kunst ohne Betrachter nichts ist. Das teile ich zu 100 Prozent. Bei diesen flachen Bildschirmen fehlt die räumliche Dimension. Das Digitale ist interessant, auch wenn man erkennt, dass sich dadurch Möglichkeiten auftun. Aber ich persönlich bin sowieso nur für live.
Wie gehen die Ensemblemitglieder mit dem Umstand um, dass man seit drei Monaten nicht live spielen kann?
Manche, ich auch, konnten im September und Oktober spielen, das hat sehr gutgetan. Dadurch, dass die Zuseherzahlen beschränkt waren, war die Beziehung zum Publikum – trotz Masken – intensiver. Mir geht es ab, andere im Ensemble kommen damit besser zurecht.
Wie schaut die ökonomische Situation im TiB aus?
Wir waren im Frühjahr 2020 auf Kurzarbeit und sind es jetzt auch wieder. Unser Projekt „Oktoberfest“ fürs Kulturjahr 2020 hatte eine Sonderdotation, das hat uns sehr geholfen.
Wie empfinden Sie die kulturpolitische Situation? Kultur scheint ja bei Coronathemen oft unter „ferner liefen“ auf.
(seufzt tief). Das ist bitter. Es ist, als würde man einen wesentlichen Bestandteil unseres Lebens vergessen, weil er nicht stattfindet. Wenn die Präsenz durch Veranstaltungen fehlt, schiebt sich das aus dem Bewusstsein. Das ärgert mich, aber ich habe auch Verständnis. Kultur ist wichtig, ohne sie gäbe es unsere Gesellschaft in dieser Form nicht. Aber zu wichtig sollen wir uns auch nicht nehmen. Ich bin auch nichts anderes als ein Mensch auf Kurzarbeit, der hofft, dass das Ganze halt vorbeigeht.
... und es geht ja so vielen anderen auch schlecht ...
Ja, ich möchte jetzt nicht arbeitslos sein. Aber seit ich mich in der Kulturpolitik engagiere, geht es mir stark darum, dass man sich in der Kulturszene nicht gegeneinander ausspielt – nicht die Kleinen gegen die Großen. Ich bin gegen die Neiddebatte. Wohin führt es denn letztendlich, wenn wir immer nur sagen: „Die anderen haben es besser“?
Hat sich die Teilung der Kulturszene in Interessensgruppen durch Corona verschärft?
Ja, es ist halt sehr leicht zu sagen, wir streamen etwas, wenn ich ein Budget habe, um mir drei, vier Kameraleute leisten zu können, um das professionell zu machen. Und dann überträgt der ORF. In eine solche Situation komme ich als Kulturarbeiterin in der freien Szene nicht. Die Schere geht durch Corona noch weiter auseinander.
Das heißt, wir reden viel über Solidarität, aber Krisen verschärfen ohnehin bestehende ökonomische Gegensätze noch?
Das kommt mir schon so vor. Wenn ich einen Neid auf den Liftbetreiber bekomme, weil der gesellschaftliche Diskurs so läuft, dann finde ich das bedenklich. Natürlich habe ich das Recht, mich über eine Skiliftlobby aufzuregen, aber das vergrößert auch die Abstände zwischen uns.
Das Theater ist von Corona aber essenziell betroffen, weil es ja ganz stark von der realen Anwesenheit lebt.
Die Übersetzung in andere Medien ist extrem schwer. Reines Abfilmen kann man eigentlich vergessen. Theater ist für mich die Verhandlung von Körpern in einem Raum. Ohne Raum ist das nicht mehr möglich. Bei unserem Projekt „Wir begehren“ machen wir gerade die Abwesenheit der Schauspielerin auf der Bühne zum Thema. Irgendwann werden wir das dem Publikum zeigen.