Am Tag nach der jüngsten Lockdown-Verlängerung für den Großteil der Kulturszene folgte ein Entlastungsakt. Gestern gab Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer bekannt: Der im November eingeführte „Lockdown-Bonus“ für freischaffende Künstler wird erhöht, die Einmalzahlung von 1300 auf 2000 Euro angehoben. Bereits beantragte Boni werden automatisch um 700 Euro aufgestockt. So soll den Freischaffenden der bis 7. Jänner verlängerte Stillstand erleichtert werden. Bis zum 30. November hatten den über die Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) laufenden Bonus rund 3300 in Anspruch genommen. Auszahlungssumme: 4,3 Millionen.
Also alles halbwegs in Ordnung für die Kulturschaffenden? Nicht ganz. Institutionen wird von Bund, Ländern und Kommunen gut geholfen, findet Edith Draxl, die mit UniT und dem Theater am Lend zwei Grazer Einrichtungen leitet: „Unsere Anträge waren nach drei Tagen erledigt, das Geld überwiesen, auch Instrumente wie Kurzarbeit oder die Übertragbarkeit der mehrjährigen Förderverträge haben meines Wissens bei den meisten bestens funktioniert.“ Für prekär verdienende Einzelkämpfer der Szene sei es indes weit schwieriger, an Ersatzleistungen zu kommen – aufgrund unregelmäßiger Verdienste und weil sie zu komplexen Einkommenskonstrukten gezwungen und dann oft gar nicht SVS-versichert seien. Andere, so Draxl, „suchen nicht um den Bonus an, weil sie fürchten, dass sie das Geld zurückzahlen müssen, wenn man ihnen ihre ,Notlage‘ wieder aberkennt.“
Verzagtheiten
Ob solche Verzagtheit eine logische Folge des langen Stillstands ist, darüber ließe sich spekulieren. Viele fühlen sich von der Marginalisierung verunsichert. Eine Marginalisierung, die gar nicht bei der Politik anfängt. Auch die Medien verfrachten Kulturelles gern in die Spezialressorts. Die Frage nach der Lage der Kosmetikstudios fand in der ORF-Vorberichterstattung der Regierungs-Verlautbarungen einen Platz, die Kultur nicht.
Die Szene hat sich angesichts eines solchen Großklimas daran gewöhnt, vorab tätig zu werden – viele planten im November Alternativen für Dezember. Wer auf offizielle Richtlinien wartet, der ist schon zu spät. Die Verunsicherung fügt der finanziellen Belastung eine psychologische hinzu. Michael Nemeth, Generalsekretär des Musikvereins für Steiermark: „Ich bin dankbar, dass wir am 7. Jänner aufmachen können, aber wir wissen noch nicht, unter welchen Auflagen und wie viele Leute kommen dürfen.“ Die Krisenbewältigung sei dennoch nicht schlecht. Nemeth: „Wir haben beim NPO-Fonds eingereicht, nach nicht einmal einer Woche war der Antrag durch.“
Wesentliche Probleme führt Lidija Krienzer-Radojevic von der IG Kultur an: „Der Dezember ist einerseits für viele der umsatzstärkste Monat und es ist noch immer nicht geklärt, wie der NPO-Fonds für das vierte Quartal ausschaut. Bestehende Ungleichheiten werden perpetuiert bzw. sogar noch vertieft. Durch die Verzögerungen beim NPO-Fonds und die Verlängerung des Lockdowns wird es zusehends unwahrscheinlicher, dass gewisse Kultureinrichtungen überleben können.“
Folgewirkungen rücken immer stärker in den Fokus
Auch für Dietmar Tschmelak vom Grazer PPC war die Hilfe ein Lichtblick: „Der Umsatzersatz war wichtig. Dieser soll gekürzt noch ein paar Wochen verlängert werden. Aber was ist dann?“ Seriöse Planungen seien nicht möglich: „Impfstoffe, Medikamente und Testmethoden werden die Entwicklung im künftigen Kulturleben prägen – aber die entscheidende Frage ist: Gibt es die PPC Live–Bühne bis dahin überhaupt noch?“ Tschmelak geht davon aus, dass erst ab Herbst 2021 Popkonzerte wie früher möglich sind. Solche langfristigen Sorgen rücken immer stärker in den Fokus der Überlegungen. Mit wem immer man spricht: So gut wie jeder in der Szene geht davon aus, dass Corona noch jahrelang auf die Kulturwelt nachwirken wird.