Viola Hammer war im März noch auf Tournee, mit Schweizer Musikern für Stummfilmvertonungen. „Die Hälfte der Gigs in den 21 Tagen musste dann aber abgesagt werden“, erzählt die Pianistin und Komponistin am Telefon. Und aus der Einladung im Mai nach New York mit dem Gitarristen Alex Pinter und dem Akkordeonisten Christian Bakanic wird auch nichts. Das Trio nennt sich „Birds against Hurricanes“ – so ohnmächtig mögen sich die drei wie die meisten anderen Künstler derzeit wohl fühlen, auch wenn die 34-Jährige selbst „jetzt noch mehr Zeit fürs Üben und Schreiben hat. Wirtschaftlich sieht es allerdings so aus, dass ich alle Ressourcen angehen muss“. Zur Sicherheit hat die gebürtige Radkersburgerin bei der Verwertungsgesellschaft AKM um Unterstützung aus einem Notfonds angesucht. Ob ihre heurigen Pläne mit Konzerten unter anderem in Berlin, Zadar, Jerusalem oder Kairo halten, wisse sie noch nicht, sagt Hammer, aber: „Ich bin grundsätzlich ein optimistscher Mensch.“

Markus Wilfling
Markus Wilfling © Gernot Eder

Die Tore bleiben vorerst zu. Heute hätte die Personale von Markus Wilfling (53) im Wiener Semperdepot anlaufen sollen. Die ist verschoben, Ersatztermin für die Eröffnung immerhin: 3. September, „sonst nächstes Jahr“, sagt der Künstler. Dass es seine Ausstellung geben wird, ist für ihn sicher, „die Arbeiten sind ja alle fertig“. Den Betrieb in seinem Grazer Atelier setzt er jedenfalls fort, „man spinnt halt so vor sich hin ohne äußeren Auftrag“, erzählt der Steirer, der in Graz und Wien studierte: „Da hat sich was nach innen gestülpt.“ Nachsatz: „So gehen vielleicht auch neue Denkräume auf.“ Wird Corona die Kunstszene beschädigen? Auf lange Sicht nicht, hofft Wilfling: „Künstler können ja gar nicht anders, als sich künstlerisch zu betätigen.“

Marie Kreutzer
Marie Kreutzer © APA/AFP/ODD ANDERSEN

Vorerst aber legen Absagen und Verschiebungen den Kunst- und Kulturbetrieb flächendeckend still. Nach nur zweieinhalb Drehtagen wurde der neue Landkrimi „Vier“ von Marie Kreutzer vorerst abgebrochen. „Ein Schock“, erzählt die 42-jährige Grazerin. „Von dem Geld für einen Film kann ich in der Regel eineinhalb bis zwei Jahre leben. Ich habe mit diesem Geld gerechnet.“ Auch ihr Mann arbeitet in der Filmbranche, „wir wissen noch nicht genau, was das nun finanziell für uns bedeutet“. In ihrem Film spielen auch einige Theaterschauspieler mit: „Drehen wir erst wieder im Herbst, ist nicht klar, ob diese dann Zeit haben.“

Monika Klengel
Monika Klengel © Ballguide/Hiebl

Das Grazer Theater im Bahnhof hat seine nächste Produktion, „Oktoberfest – Kasimir und Karoline gehen zum Aufsteirern“ nach Ödön von Horváth, bereits von April auf Oktober verschoben. Proben finden derzeit im virtuellen Raum statt, erzählt TiB-Regisseurin und Schauspielerin Monika Klengel. Demnächst ist erstmals ein virtueller Theaterabend geplant: eine Talkshow als Videokonferenz für zahlende Zuschauer. Man müsse eben Online-Möglichkeiten ausprobieren, glaubt die 53-jährige Grazerin, „auch wenn aus meiner Sicht Theater am stärksten und dann legitim ist, wenn Menschen physisch in einem Raum zusammen sein können, wo etwas verhandelt wird“. Für die Zeit nach Corona setzt sie darauf, „dass die Leere an Kunst, Kultur und sozialen Begegnungen neuen Hunger und Zulauf erzeugt“. Und: „Die Themen und die Auseinandersetzung mit sozialen Phänomenen werden sich verändern. Ich glaube, dass dann am Theater stark die Vereinsamung, der soziale Zusammenhalt und das mögliche Zerbrechen dieses Gefüges verhandelt werden.“

Wilfried Zelinka
Wilfried Zelinka © KK

Vorerst stellt das TiB auf Kurzarbeit um – wie auch die Bühnen Graz. Der Bass Wilfried Zelinka, langjähriges Ensemblemitglied der Grazer Oper, übt daheim: „Der Großteil meiner Vorbereitungen läuft immer zu Hause ab.“ Seine nächsten Stücke dürften entsprechend perfekt geprobt sein: „Man erkundet Repertoire und bringt Ordnung in die Noten. Man kann auch an der Technik feilen, ich habe alte Übungen herausgeholt.“ Unter Kollegen erlebt der 44-Jährige derzeit viel Verzweiflung: „Oft gilt es als Nachteil, dass man fix an ein Haus gebunden ist, weil man da womöglich attraktive Angebote ausschlagen muss. Aber jetzt ist es ein großer Vorteil, weil man dadurch eine soziale Absicherung hat.“ Die Lage für Freischaffende sei derzeit sehr schwer, beobachtet Zelinka: „Es gibt bei diesen Sängern viele Härtefälle, da muss ein Rettungspaket her. Am freien Markt zu überleben ist auch in normalen Zeiten hart genug.“

Oliver Mally
Oliver Mally © KK

Tatsächlich haben einige Häuser bereits angekündigt, Verträge mit Freien trotz Absagen auszuzahlen, die Regierung hat rasche Unterstützungsmaßnahmen versprochen, Land und Kommunen zahlen Förderungen weiter aus. „Dennoch ist es für die Musikszene gerade sehr bitter“, erzählt Bluesmusiker Oliver Mally. Vieles, fürchtet er, „wird es im Falle einer längeren Krise nicht mehr geben.“ Sein erster Lösungsvorschlag: Radios spielen österreichische Künstler: „Das wäre eine schöne, unaufwendige und vor allem hilfreiche Geste der Solidarität. ORF Steiermark hat ja bereits reagiert.“ Aber, so der 54-jährige Gitarrist und Sänger: „Speziell Ö 3 hat meiner Meinung nach die Verpflichtung, hier ein klares Zeichen zu setzen. Bis jetzt war mehr oder weniger Leichenstarre angesagt.“ Er selbst setzt indes eigene starke Zeichen – schon morgen mit einem Online-Konzert für die Kleine Zeitung.