Mit einem spektakulären Eröffnungsreigen startet am 20. September die neue Intendantin des steirischen herbstes, Ekaterina Degot, ihr erstes Festival: Auf eine Parade des amerikanischen Bread & Puppet Theater folgt eine musikalische Performance des slowenischen Regisseurs Dragan Zivadinov über den Kriegsverbrecher Odilo Globocnik und "The Sound of Music" als Bühnenproduktion der Gruppe Laibach.

"Volksfronten" lautet der Übertitel des am Donnerstag veröffentlichten diesjährigen Programms - "bewusst im Plural und auf höchst unterschiedliche historische Kontexte verweisend: die antifaschistischen Bündnisse der 1930er-Jahre, eine rechtsextreme nationalistische Gruppierung in den USA, eine ironische Bezeichnung für repräsentative Fassaden in der DDR", heißt es in einer Aussendung. "Ziel ist es, die leidenschaftlichen ideologischen Kämpfe und kollabierenden politischen Dichotomien der Gegenwart zu thematisieren."

Quer durch die Stadt

"Installationen, Performances und diskursive Formate" sind über die ganze Stadt verteilt. Die Eröffnung findet nicht in der Helmut List-Halle (die während der ersten zehn Tage für eine Installation der in Moskau lebenden Künstlerin Irina Korina mit Pflanzen und Bäumen bestückt wird), sondern outdoor statt: Das Bread & Puppet Theater veranstaltet eine Parade. "Sie sind populär, aber auch sehr respektiert auf Highbrow-Level", sagt Ekaterina Degot im Gespräch. "Sie werden mit den Leuten in Graz arbeiten. Wie genau, wird sich zeigen, denn sie entwickeln ihre Geschichten speziell immer erst in der jeweiligen Stadt. Vielleicht sehen wir auch ungewöhnliche Zusammenhänge und Konstellationen im Trump-Kontext."

Höhepunkt des Eröffnungsabends soll auf der Kasematten-Bühne die Laibach-Version von "The Sound of Music" werden: "Das ist genau etwas, was ich mir sehr wünsche: sehr konzeptionell, politisch und provokativ - und trotzdem spektakulär, interessant und humorvoll. Es geht um die Nachkriegszeit-Idee von kleinen Nationen. Der Protagonist ist ja ein österreichischer Nationalist, vom damaligen US-Standpunkt aus also etwas sehr Gutes."

Am 21. September folgt das kontroverse Thema "Allah vs. Coca Cola" des in Warschau lebenden russischen Dramatikers und Regisseurs Ivan Vyrypaev. "Das Stück spielt auf einer Konferenz in Kopenhagen. Der Zuschauer in der Karl-Franzens-Universität wird das Gefühl haben, er ist auf einer richtigen wissenschaftlichen Konferenz, es ist aber gleichzeitig ein Theaterstück", so Degot. Als "groß angelegtes Happening" ist eine performativen Videoinstallation von Igor & Ivan Buharov angekündigt: "Diese zwei im besten Sinne verrückten ungarischen Künstler sind an Hypnose interessiert", erläutert die Intendantin. "Es spielt in einem botanischen Garten. Eine Art mystische Hypnose von Pflanzen und Tieren repräsentiert die neue Freiheit. Das ist natürlich alles mit viel Humor genommen und hängt stark mit der heutigen suppressiven Atmosphäre in Ungarn zusammen."

Ein "musikalisch-performativer Filmabend mit dem Künstler Roee Rosen" sowie eine auf den "Menschenlandschaften" des türkischen Dissidenten und Dichters Nazim Hikmet fußende Performance gibt es am 22. September. "Ich finde Hikmet als Schriftsteller absolut hervorragend und als Figur einzigartig. Deshalb war ich begeistert, als der sehr junge belgische Choreograf Michiel Vandevelde mir gesagt hat, dass er über ihn etwas machen will. Es spielt 1941, es gibt keinen Krieg in der Türkei, aber er ist dennoch präsent. Dieses Gefühl vom nahen Krieg - das ist unsere Zeit", sagt Degot und ist sich sicher: "Michiel ist auf dem besten Weg, ein internationaler Star zu werden." Und dann ist noch nicht einmal das Eröffnungswochenende vorbei.

Performance

Zu den heute angekündigten weiteren Programmpunkten zählen eine Performance von Nicoline van Harskamp, "die der Frage nachgeht, wie sich Personennamen über nationale Grenzen hinweg ausbreiten und verändern", ein neuer Film, den das Wiener Künstlerduo kozek hörlonski gemeinsam mit Alexander Martinz gestaltet und der "die Steiermark und Graz als ideale Kulisse für Horrorfilme" präsentiert, sowie Projekte von Yoshinori Niwa ("sammelt in einem öffentlichen Projekt unerwünschte Erinnerungen an die Zeit des Faschismus") und Henrike Naumann ("entwirft eine alternative Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert").

Ein exklusives Festivalformat sind Taxirundfahrten mit dem Theater im Bahnhof. "Ich bin glücklich, dass sie ein ständiger Partner des steirischen herbstes sind, denn sie arbeiten auf eine ähnliche Weise wie wir", versichert Ekaterina Degot. Eine Installation von Milica Tomic befasst sich mit dem ehemaligen Zwangsarbeiterlager Aflenz in der Nähe von Graz, während sich Michael Zinganel dem Erzberg und seiner Kriegsgeschichte nähert.

Im musikalischen Bereich bietet die bis 14. Oktober dauernde 51. Festivalauflage neben dem musikprotokoll auch eine eigens für das Festival geschaffene monumentale Orchestersuite des deutschen Komponisten und Filmemachers Christian von Borries: "Es ist ein Neujahrskonzert, das mit sehr trivialer, klassischer österreichischer Musik beginnt und sich dann immer mehr davon entfernt", schildert die Intendantin.

Und schließlich gibt es noch zwei internationales Symposien:
Gemeinsam mit Camera Austria macht man sich Gedanken über "Die
Hässlichkeit der Bilder", und mit Intellektuellen aus zahlreichen
Ländern möchte man sich über "Unsere kleinen Faschismen"
austauschen. "Das wird aber nicht akademisch, sondern eher im TV-
oder Magazin-Format - ohne lange Referate, sondern in Form von
moderierten 30-Minuten-Gesprächen", versichert die Intendantin und
verbreitet freudige Erwartung. Ihr Ziel: Noch ehe der Sommer
angefangen hat, möge man getrost beginnen, sich auf den Herbst zu
freuen.