Glamour, Glitter sowie große Gesten und noch größere Gags? Fehlanzeige! Dass Neuer Zirkus nicht mit Pomp und Trara auf sein Publikum losgehen muss, beweist die australische Truppe „Gravity & Other Myths“, die ab Montag im zehnten Jahr von Cirque Noël im Orpheum Graz mit „A Simple Space“ Station macht, eine einfühlsam und aufwühlende Produktion zugleich. „Wir bieten keine fancy Kostüme, kein aufregendes Licht oder Dutzende Requisiten, keine aufwendige Bühne, sondern eine intime Show mit unseren Körpern, bei der uns das Publikum ganz nahe kommt“, sagt Lachlan Binns, einer der Gründungsmitglieder der Gruppe. Nachsatz: „Auf der Bühne stehen nur wir.“

Sieben Akrobatinnen und Akrobaten suchen dabei die große Magie vom kleinen Glück und verhandeln dabei nichts weniger als die Schwerkraft mit ihren Körpern: anmutig, augenzwinkernd und dabei schwindelerregend kraftvoll. Etwa in den Sequenzen, in denen sie sich auf engstem Raum wie Springschnüre durch den Bühnenraum drehen. Der britische „Guardian“ lobte das ausgezeichnete Stück dafür, dass es ihm „nicht an Nervenkitzel mangle“.

Erstmals zwei Produktionen in Graz

Intimität auf engstem Raum versus Adrenalinrausch auf der großen Bühne: Erstmals holt Cirque Noël zwei Produktionen nach Graz. „Wir wollen so die gesamte Bandbreite und Vielfalt des zeitgenössischen Zirkus, der ja nun auch vom Bund gefördert wird, zeigen“, sagt Intendant Werner Schrempf. „Und wir möchten mehr Festivalcharakter arrangieren.“

Im Gegensatz zu „Gravity & Other Myths“ schöpfen alte Bekannte ab 22. Dezember in der Grazer Helmut-List-Halle alle Möglichkeiten ihrer Körper auf der großen Showbühne aus: Die kanadische Truppe „The 7 Fingers“ zeigt erstmals in Österreich ihre Produktion „Réversible“.

Die Superstars der internationalen Artistenszene haben Generationen von Künstlern weltweit geprägt. „Eine Besonderheit von ,The 7 Fingers‘ ist, dass sie den Menschen und sein Leben in den Mittelpunkt stellen“, betont Schrempf. In der Arbeit analysieren die Publikumslieblinge den Einfluss der vergangenen Generationen auf unseren Alltag, sie suchen nach den historischen Hinterlassenschaften unserer DNA.

Neue Projekte

Dafür hat jeder Artist und jede Artistin Ahnenforschung in der Familie betrieben. Das verstärkt die Eindringlichkeit der wundersam wandelbaren und mitunter wahnwitzigen Reise durch Zeit, Raum und Biografien. Die Anziehungskraft steckt im hinreißend nostalgischen Detail – wo sich eine Tür schließt, geht andernorts ein Fenster auf.

Werner Schrempf hat, wenn man so möchte, mit dem Cirque Noël gleich ein Riesentor in die Zukunft geöffnet: Für 2019/20 bereitet er mit „The 7 Fingers“ eine Koproduktion vor, die auch in Österreich entstehen und dann international auf Tour gehen soll. Ausgangspunkt ist Stefan Zweig. „Auch hierfür gibt es ein Rechercheprojekt nach entscheidenden Weggabelungen im Leben von Menschen.“ Und: Wenige Schriftsteller von einst sind heute wieder so brennend brisant.