Im Song-Contest-Siegertitel "1944" der ukrainischen Sängerin Jamala geht es um die Vertreibung der Krimtataren in der Stalin-Zeit. Die Deutsche Presse-Agentur dokumentiert den Songtext in einer Übersetzung aus dem Englischen bzw. Krimtatarischen:
Wenn Fremde kommen, sie kommen in Eure Häuser. Sie töten Euch alle und sagen: Wir sind nicht schuldig, nicht schuldig!
Wo sind Deine Gedanken? Die Menschheit weint. Ihr denkt, Ihr seid Götter. Doch alle sterben. Verschlingt meine Seele, nicht unsere Seelen.
Ich konnte meine Jugend dort nicht verbringen, weil Ihr meinen Frieden geraubt habt.
Wir könnten eine Zukunft errichten, in der die Menschen frei sind zu leben und zu lieben. Die glücklichste Zeit.
Wo ist Dein Herz? Menschlichkeit, wachse, Ihr denkt, Ihr seid Götter. Doch alle sterben. Verschlingt meine Seele nicht, unsere Seelen.
Ich konnte meine Jugend dort nicht verbringen, weil Ihr meinen Frieden geraubt habt.
Im Folgenden ein kurzer Hintergrund zur bewegten Geschichte der Krimtartaren:
Zarenzeit: Auf der ukrainischen Halbinsel Krim gehören rund zwölf Prozent der Minderheit der Krimtataren an. Die heutige Minderheit stellte einst die Mehrheit der Bevölkerung auf der Halbinsel. Nach der Einverleibung durch das russische Zarenimperium 1783 wurden aber wegen der strategisch wichtigen Lage immer mehr Russen dort angesiedelt. Daher wanderten viele der turksprachigen Krimtataren ins Osmanische Reich aus und ließen die Alteingesessenen auf der Halbinsel zur Minderheit werden. Kleinere Gruppen leben heute unter anderem in Zentralasien, der Türkei, Bulgarien, Rumänien, Polen oder den USA.
Zweiter Weltkrieg: Ein besonderes Trauma für das kleine muslimische Volk ist die Deportation von fast 200.000 Krimtataren 1944 nach Zentralasien auf Befehl Stalins. Viele von ihnen starben an Unterernährung und mangelnder medizinischer Versorgung. Der Vorwurf der Kollaboration mit den deutschen Besatzern von 1941 bis 1943 haftet den Krimtataren von russischer Seite noch heute an. Vor ihrer Vertreibung von der Halbinsel im Schwarzen Meer siedelten die Krimtataren als Bauern, Fischer und Viehzüchter. Die Krimtataren bekennen sich zum sunnitischen Islam.
Perestroika: Erst die Politik der Perestroika (Umgestaltung) Ende der 1980er-Jahre ermöglichte ihnen die Rückkehr. Von den insgesamt schätzungsweise 500.000 Krimtataren machten bisher rund 250.000 davon Gebrauch. Nach einem Erlass von 1993 wurde den Rückkehrern Land zugeteilt. Doch stellen Rückgabe von Eigentum sowie Arbeitslosigkeit weiterhin große Probleme dar. Experten werfen der ukrainischen Zentralregierung vor, sich wenig um die Interessen der Minderheit gekümmert zu haben.
Neuzeit: Die turksprachige Ethnie unterstützte die Orangene Revolution von 2004. Die Einverleibung des Gebietes durch Russland im März 2014 wird von den Krimtataren mehrheitlich abgelehnt. Deren Aktivisten stellten den Kern der proukrainischen Demonstranten auf der Halbinsel. Nach der Annexion emigrierten viele aus Angst vor Verfolgung ins ukrainische Kernland. Refat Tschubarow (Cubarov) und Mustafa Dschemilew (Cemilev) sitzen heute als Vertreter der Krimtataren im Parlament in Kiew.