Haben Sie Angst vor dem 24. Mai? Dann werden sie nicht mehr die Song-Contest-Gewinnerin, sondern die ehemalige Song-Contest-Gewinnerin sein.
Conchita Wurst: Nein, davor habe ich keine Angst - im Gegenteil. Natürlich ist das ein Jahr der Regentschaft, das zu Ende geht. Aber das macht auch nichts. Ich sage ja immer, dass der Eurovision Song Contest mein größter musikalischer Meilenstein bisher war - aber es soll bitte nicht der letzte bleiben! Deshalb muss man sich auch davon lösen und weiterarbeiten. Aber mir ist schon klar, dass mir das Jahr mit dem Song-Contest-Zauber im Rücken leicht von der Hand ging und dass nach dem Song Contest vielleicht auch ein Stück weit mehr Realität dazu kommt.
Fiebern Sie der Albumveröffentlichung am 15. Mai entgegen?
Wurst: Ich habe keinen Stress. Ich weiß, was ich mache. Ich liebe die Songs, die drauf sind. Wenn die jetzt noch angenommen werden, ist es das perfekte Sahnehäubchen. "Rise like a Phoenix", "Heroes" und "You are unstoppable" sind ja schon bekannt und werden auf der Platte sein. Zwölf Lieder sollen es insgesamt werden.
Und die gesamte Platte ist schon eingespielt und abgemischt?
Wurst: Ich arbeite nach wie vor daran, weil wir ein Team von Perfektionisten und Träumern sind. Und wenn uns was einfällt, das noch besser ist, kann es sein, dass noch etwas umgekrempelt wird. Deshalb ist die iTunes-Tracklist jetzt noch ein Platzhalter. Wir wollten ja nicht zu viel verraten. Aber es geht sich alles irgendwie aus. Die richtigen Nummern zu finden und jene herauszufiltern, die mir stehen und mir aus dem Herzen sprechen - das war schon eine weite Reise.
Die drei bis dato bekannten Nummern sind allesamt Powerballaden. Wird es stilistisch Überraschungen geben?
Wurst: Ich habe noch etwas Humoristisches im Repertoire, worüber ich mich sehr freue. Das ist eine richtige Bühnennummer, die einfach eine sehr lustige Geschichte erzählt. Natürlich gibt es die großen, dramatischen Balladen, die man von mir wohl auch erhofft. Es wird aber auch Up-Tempo-Nummern geben. Das ist der Interessensbereich, in dem ich mich privat bewege.
Eine weitere Single-Auskopplung ist aber nicht geplant?
Wurst: Nein. Es kann sein, dass ich noch einen Song in einem speziellen Rahmen vorstelle, aber nicht, dass er wirklich einzeln veröffentlicht wird.
Zu Ihrer Autobiografie: Sie bieten zwar nicht den Schlüssellochblick, aber doch viele intime Gedanken. Hatten Sie keine Angst, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Wurst: Das Projekt war nicht Liebe auf den ersten Blick. Es hat mir wahnsinnig geschmeichelt, dass ein Verlag an mich herangetreten ist. Meine Reaktion war dennoch: Das ist wahnsinnig schön, aber ich bin 26 und finde das anmaßend. Ich bin aber nicht beratungsresistent und habe mir das in allen Facetten erklären lassen. Und jetzt habe ich mich in dieses Buch und dieses Projekt verliebt, was aber ein Weg war. Ich war dabei nicht gehemmt, meine Gedanken zu teilen. Ich dachte mir nur manchmal: Soll ich jetzt wirklich sagen, wie ich das denke, oder bekomme ich dann ärztliche Atteste zugeschickt? Mein Kopf ist manchmal ein buntes Karussell.
Trotz Ghostwriter spricht aus dem Text sehr Ihre Diktion. Wie haben Sie das bewerkstelligt?
Wurst: Das war eine enge Zusammenarbeit. Ich habe Daniel Bachmann mein Leben erzählt und er bat mich darum, einen Artikel zu schreiben, damit er weiß, wie ich mich ausdrücke. Ich habe dann sein Manuskript gelesen und korrigiert. Es wäre zeitlich einfach nicht möglich gewesen, dass ich dieses Buch selbst schreibe. Da wäre ich vielleicht mit 28 fertig geworden.
Sie schildern in Ihrem Buch den Masterplan, den Sie mit Ihrem Manager Rene Berto für den Weg zum Weltstar entworfen haben. Was sind darin die nächsten Schritte? Ist der Grammy für 2017 fixiert?
Wurst: Ich habe prinzipiell selten einen Plan. Und schon gar keinen Plan B. Wir haben das grobe Konzept, das Spielräume lässt ohne Ende: "Weltstar" ist ein frei interpretierbarer Begriff. Ich möchte aber Musik machen. Ob ich einen Grammy bekomme, weiß ich nicht - ich habe aber sei zwölf Jahren den Traum. Und wenn ich das mache, was mir gefällt, ist es schon mal ein richtiger Schritt, dass es eventuell erfolgreich sein könnte.
Sie haben am Wochenende beim ORF-Clubkonzert nun alle sechs heimischen Kandidaten für die heurige ESC-Ausscheidung gehört. Wer ist Ihr Favorit?
Wurst: Das sage ich doch nicht! Das geht nicht. Nein! Ich habe natürlich einen, aber ich sage nichts. Ich habe noch nie eine Wette gewonnen. Es wäre für den Act deshalb vielleicht auch nicht so dienlich, wenn ich sage: Das wird was! (lacht)
Sie selbst werden als nächsten Höhepunkt das Best-of-Eurovision in London am 31. März angehen. Was wird Sie da erwarten?
Wurst: Ich weiß, was mich erwartet, aber auch das darf ich nicht sagen, weil das eine Show der Extravaganz mit einer Überraschung und einem Highlight nach dem anderen wird. Und die BBC als Ausrichter ist ein großes Ding, weshalb das eine große Ehre für mich ist. Das wird eine Monstershow.
Vielleicht dürfen Sie über den wissenschaftlichen Kongress zum ESC, der Ende April ebenfalls in London stattfindet, mehr verraten. Da sind Sie als Referentin gelistet...
Wurst: Es ist schön, wenn man zu solch seriösen Themen eingeladen wird. Und auch wenn es den Song Contest betrifft, kann das sehr seriös werden. Ich versuche einfach zu schildern, was ich erfahren habe. Ob das einen tiefergehenden Wert hat, weiß ich nicht. Ich werde mich einfach darauf reduzieren, worin ich mich gut auskenne - und mit mir kenne ich mich relativ gut aus.
Haben Sie Angst, dass Sie den Song Contest in Ihrer Karriere vielleicht nie mehr los und immer darauf reduziert werden?
Wurst: Ich glaube, es könnte mir Schlimmeres passieren, als ständig darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass ich den größten Musikwettbewerb der Welt gewonnen habe. Das gehört zu mir. Und ich arbeite ja wie gesagt daran, dass es nicht das einzige Highlight bleibt.