Die globale Serienmaschine muss beständig produzieren, um im Geschäft zu bleiben. Dass in Hollywood gerade Drehbuchautoren und Schauspieler streiken, streut der gut geölten Maschine gehörig Sand ins Getriebe. Der Kampf um Abonnentinnen und Abonnenten ist im globalen Streaminggeschäft nach dem Höhenflug in der Pandemie härter denn je zuvor. Die Zeichen stehen bei einigen Anbietern auf Konsolidierung und das, wie man unlängst bei Sky gesehen hat, gleich mit einer Vollbremsung: Ende Juni hat Sky Deutschland bei den eigenproduzierten Serien Knall auf Fall die Stopptaste gedrückt. Ob es, wie von Disney, Amazon und Netflix angekündigt, in großem Maß bei den europäischen Content-Initiativen bleibt?

Zumindest wenn es nach Netflix geht, fließen in den kommenden vier Jahren 2,5 Milliarden Dollar nach Südkorea. Produziert werden damit koreanische Fernsehserien, Filme und Drehbücher. Damit hat sich die Summe, die der Streamer seit 2016 in den südkoreanischen Markt investiert hat, verdoppelt. Für so eine Investition besucht man in Südkorea naturgemäß den Präsidenten. Denn Unterhaltungskultur ist dort einer der wichtigsten Exportschlager. Netflix-Co-CEO Ted Sarandos traf sich im April mit Präsident Yoon Suk-yeol höchstpersönlich.

Während die K-Popwelle schon länger über die Welt rollt, zieht das Film- und Fernsehgeschäft stark nach. Der Oscar für „Parasite“ (2020) und der globale Hype um die Serie „Squid Game“ (2021) sind nur die Spitzen des Eisberges. Noch immer ist die Dystopie, in der verschuldete Menschen bei Kinderspielen um ihr Überleben kämpfen, die bislang beliebteste Serie auf Netflix. Seit Ende Juli wird in Südkorea die zweite Staffel gedreht. Hollywoodstreik? Der ist hier nicht von Belang.

Mindestens im Wochentakt erscheinen auf Netflix neue Serien aus Südkorea. Der Mix ist ungewöhnlich: Dystopien, wildgewordene Zombies und Romanzen, wahlweise als leichtes Drama oder überdrehte Komödie und das meist im Original mit Untertiteln. K-Romance hat sich bei Netflix mittlerweile zum Selbstläufer entwickelt: Zwischen 2018 und 2022 hat sich der Konsum von K-Romanzen auf der Plattform verdreifacht. 90 Prozent davon außerhalb Südkoreas, wie Netflix auf Anfrage erklärt. Der Kern der Produktionen folgt dem „Slow Burning“-Konzept, die Protagonisten nähern sich meist über Umwege langsam an. Selten dauert eine Folge unter einer Stunde, 20 Folgen und mehr pro Staffel sind keine Seltenheit.

Klassische Romanzen à la Rosamunde Pilcher sollte man sich dennoch nicht erwarten, denn das Setting kann durchaus ungewöhnlich sein: Schauspielerin trifft Außerirdischen (My Love from the Star), in „The King: Eternal Monarch“ eine Polizistin einen Royal aus einer Parallelwelt. Doch es geht auch bodenständiger, mit klarer politischer Haltung: In "Crash Landing on You" landet eine reiche Erbin beim Fallschirmspringen in Nordkorea und wird von einem Soldaten versteckt.

Nicht nur in den Dystopien, bei „Squid Game“ wurde Kritik an der massiven Privatverschuldung im Land geübt, werden latente Missstände aufgezeigt, sondern auch in den K-Romanzen, wenngleich ein wenig weichgespült: Das Übermaß der Care-Arbeit, die bei den Frauen liegt, patriarchale Strukturen und der überbordende Druck einer Gesellschaft, die das gute Aussehen zum Prinzip erhoben hat. Und das alles mit zum Teil geradezu lachhaft offensichtlicher Produktplatzierung. Mit sechs neuen Romantik-Serien bis zum Jahresende steckt der Nachschub schon in der Pipeline. Am 12. August läuft etwa „Behind Your Touch“ an: Die Hauptprotagonistin ist eine Tierärztin, die durch eine Berührung am Hintern die Vergangenheit von Zwei- und Vierbeinern sehen kann. Auch nicht unoriginell.

Die Konkurrenz wie Amazon, Disney+ oder Apple hinkt hier gewaltig hinterher. Apple TV+ hat mit „Dr. Brain“ im Vorjahr gerade einmal eine koreanische Serie vom Stapel gelassen. Dass sie in Zukunft nicht auf den Zug aufspringen, ist unwahrscheinlich, denn die globale Unterhaltungsbranche ist im Umbruch und Südkorea hat hier ein gewichtiges Wort mitzureden.